Liebe Gertraud, lieber Bernd, Vielen Dank fuer Euern Brief, fuer die Beschreibungen Euerer Reise nach Daenemark und Nord-Deutschland, die mir die fernen hoffnungslosen Erinnerungen an meine Kindheit erwecken am 8. Dezember 1938, und am 23. Maerz 1939, die beiden Eisenbahnfahrten von Braunschweig ueber Hamburg nach Bremerhaven; im Juni 1934 und 1935, die Fahrten von Braunschweig ueber Hamburg, Heide, Husum, ueber den Hindenburgdamm nach Westerland, in die Sommerferien in Wenningstedt auf Sylt - dies alles vor mehr als achtzig Jahren - laengst in die Beziehung zur Sprache und zur Literatur versunken, verschmolzen und vielleicht verloren gegangen. Erlebnisse vielleicht zusammengefasst in dem Gedicht von Keats: Much have I travell'd in the realms of gold, And many goodly states and kingdoms seen; Round many western islands have I been Which bards in fealty to Apollo hold. Oft of one wide expanse had I been told That deep-brow'd Homer ruled as his demesne; Yet did I never breathe its pure serene Till I heard Chapman speak out loud and bold: Then felt I like some watcher of the skies When a new planet swims into his ken; Or like stout Cortez when with eagle eyes He star'd at the Pacific—and all his men Look'd at each other with a wild surmise— Silent, upon a peak in Darien. Ein Gedankenbild das mich stets sehr beeindruckt hat. Schlieszlich als ich vor Jahren, um die von Keats geschilderte Offenbarung selbst nachzuerleben, Chapmans Uebersetzung der Ilias aufschlug, wandelte sich mein Verstaendnis der Literatur, - wie einst, als der Eisenbahnzug nach Sylt, wegen einer Verkehrsstoerung, stundenlang im Schatten eines haesslichen Schuppens ihn Husum abgestellt wurde, fuer eine so betraechtlich lange Zeit, dass uns die Vorfreude auf den paradiesischen Sylter Sommerurlaub verging. Du schriebst von Deiner Angst beim Lesen von Thomas Manns Dr. Faustus. Erlaub' mir Dich zu troesten, es ist nicht noetig diese Geschichte ernst zu nehmen, denn die fingierte Biographie von Adrian Leverkuehn hat mit dem Teufel und mit den Krankheiten des Menschen und mit dem Verfall des Staats so wenig zu tun, wie der Berghof am Zauberberg, mit der medizinischen Behandlung der Tuberkulose. Wie elegant und erfolgreich auch immer, beide Buecher scheinen mir, in Nietzsches Worten, mit roter Tinte, statt mit Blut geschrieben.