19970709.00

     Die Erkenntnistheorie (Epistemologie) fragt um den Inhalt,
um die Form, die Struktur und die Gueltigkeit des Wissens.  Es
gibt zwei Arten von Erkenntnislehre.

     Erstens, was man als objektive Epistemologie bezeichnen
koennte, die Forschung welche die Frage nach dem allgemeinen,
objektiven Wissen stellt.  Diese Forschung beansprucht eine Lehre
welche enzyklopaedisch _alles_ Gewuszte, und eigentlich auch
alles Wissbare erklaert; und geraet damit sofort in die
Peinlichkeit, dasz kein einziger, kein einzelner Mensch das von
allen Menschen in der Gegenwart, in der Vergangenheit und
vermutlich auch in der Zukunft gewuszte wissend beherrschen kann;
so dasz jeder der ein solches Vorhaben offen bekennt sich sofort
(unumgaenglich) laecherlich macht, in dem er Dinge zu beurteilen
beansprucht von denen er nichts wissen kann.  Der aber welcher
ein solches Vorhaben verschweigt, schwebt stets in der Gefahr,
wenn seine hochgespannten Ansprueche ans Licht kommen, als
laecherlich entpuppt zu werden.  Ob dergleichen Ueberlegungen
ueberhaupt sinnvoll sind, weisz ich nicht.  Traditionell hat man
das vollkommene Wissen als eine Eigenschaft, ein Besitztum Gottes
erklaert.  Neuerdings aber liegt der Anspruch auf ein
universelles Wissen inbegriffen in den Theorien der modernen
Wissenschaften.  Es sollte der Muehe wert sein diese
inbegriffenen Voraussetzungen ausdruecklich aufzufuehren.

     Die Analyse eines universellen Wissens, von allem das
Menschen wissen oder wissen koennten, geht allenfalls ueber meine
Kraefte.  Mir bleibt nichts uebrig als mich mit Geringerem zu
begnuegen, mit dem was _ich_ weisz, mit jenem Wissen das was
meiner eigenen Erfahrung entspricht oder entspringt.  Es bleibe
dahingestellt inwiefern dies ein objektives Wissen sein kann, das
vielen Menschen gemeinsam ist, und inwiefern es ein
persoenliches, vielleicht sogar ein sich von Monat zu Monat
wechselndes Wissen ist, das nur fuer mich selber gueltig ist.

     Ich darf die Existenz eines solchen Wissens nicht
voraussetzen.  Es liegt mir ob es immer wieder im eigenen
Bewusztsein aufzusuchen, und mir die Frage vorzulegen, was es
denn sei das in diesem Moment meinem Denken zugaenglich ist, was
es denn sei, das ich jetzt und hier tatsaechlich weisz oder das
ich zu wissen vermag.

     Zugegeben, dasz Erwaegungen zu einem recht bescheidenen
Inventar des vermeintlich Gewuszten fuehren, zu Erinnerungen, zu
Denkgewohnheiten, welche mir in dem einzelnen
Bewusztseinsaugenblick nur potentiell zugaenglich sind; welche
sich tatsaechlich aus dem Bewusztsein entwickeln, so wie ihnen
die Moeglichkeit dazu gegeben ist.  Ich musz also, (um das Wissen
im Allgemeinen zu beurteilen,) mein eigenes Wissen der
Zergliederung unterziehen.  Tatsaechlich fuehren diese
Erwaegungen zu dem Bewusztsein des Ichseins in echt cartesischer
Weise. Die Folgerungen aber sind denn doch andere. Auf den
ontologischen Beweis, auf die Feststellung des Seins kommt es
nicht an. Vielmehr ueber die fortschreitende Erforschung
(Untersuchung) des Wissens und des Gewuszten. Die Methode(n)
dieser Untersuchung sollen nun dargestellt werden.

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