19970711.00
Als Ausgangspunkt also ist die Besinnung auf sich selbst,
wie bei Descartes, abgetrennt von Menschen, in der entlegenen
verschneiten Huette im Winter. Anders jedoch, insofern als
Descartes unmittelbar danach auf die herkoemmlichen abgegriffenen
Kulissen, das Sein Gottes, das Sein des Ich, das Sein der Welt
abgleitet, und somit den Gedankenturm den er errichtet hat, wie
ein unverstaendiges Kind umgehend wieder zugrunde richtet. Ich
meine nicht, dasz das notwendig war.
(Trotzdem scheint mir die Begruendung unseres Wissens von
der Welt as ueberaus sinnvoll. In eine Hinsicht erklaert diese
Begruendung unser Wissen von der Welt. In einer tieferen Hinsicht
aber erklaert diese Begruendung unsere Gottesvorstellung,
insofern als sie uns xum Begreifen (zum Erleben) der Welt
unentbehrlich ist.)
Mit etwas mehr Geduld, mit etwas mehr Ausdauer und
Verstaendnis sollte es auch moeglich sein, die Gedankenfaeden die
sich in dieser Abgeschlossenheit entwickeln weiter zu spinnen,
auf ihre Auslaeufer hinaus, Folgerungen die sich weithin in die
Bereiche des Erlebens erstrecken. Es genuegt eben nicht, die
gedeutete Welt nur momentan, im Augenblick der Erkenntnis, zu
bezweifeln; dieser Zweifel musz erhalten werden, wie die
geringfuegigste (most fragile) Seifenblase, so lange wie nur
irgend moeglich und in so vielen Richtungen (wie nur irgend
moeglich), damit man in ihr wie in einem Zauberspiegel die Welt
unseres Geistes erschaue.
Zu dem sokratisch-kartesischen Ausgangspunkt des
Nichtwissens, des Zweifelns zu gelangen sollte unschwierig sein,
jedenfalls fuer den Menschen der nicht von der Bedeutung einer
taeuschenden Wissenschaftlichkeit geblendet und in ihrer
Komplexitaet erstickt ist. Jedoch eines ist es zu diesem Punkt
zu dem sokratisch-kartesischen Ausgangspunkt des Nichtwissens,
hinzugelangen; ein anderes, und unendlich schwieriger ist es auf
diesem Punkt zu verharren. Auf diesem Punkt des Zweifels laenger
als momentan zu bestehen ist einer Akrobatik vergleichbar, einer
Geisteskunst welche fleisziges und fortwaehrendes Ueben gegen das
bestaendig drohende Hinabgleiten oder Hinabfallen zur
Voraussetzung hat. Diese geistige Akrobatik ist die Philosophie.
Ist dieser Punkt des Zweifels einmal erreicht, und hat der
Zweifelnde es gelernt auf ihm zu bestehen, (sich dort zu
verhalten,) dann ergeben sich die skeptischen Folgerungen von
selbst. Denn eine jede geistige Bewegung wird nunmehr von dem
Bewusztsein der Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit begleitet;
ein Bewusztsein welche nicht nur die Welt (als Vorstellung die
sie ist) (also die Vorstellung der Welt verwandelt) in einem
voellig anderen Lichte erscheinen laeszt, sondern welche auch die
Denkvorgaenge selbst in einer gruendlichen (radikalen) und meines
Erachtens sehr ergiebigen (fruchtbaren) Weise beeinfluszt
(verwandelt).
Man wird auf diese anspruchvolle Erklaerung hin, den Beweis,
die Demonstration, das Beispiel fordern. und wird, da dies nicht
unumgaenglich erfolgt die Nase ruempfen als rieche es hier nach
Gefasel, oder schlimmer noch, nach Gauklerei und Betrug.
Es ist moeglich, dasz man diese Vermutung bestaetigt zu
finden meint, durch den Hinweis, dasz diese aus Zweifel
entspringende und vom Zweifel unablaessig begleitete
Betrachtungsweise eine subjektive ist und bleiben musz, nicht aus
Geheimnistuerei, sondern weil der Kern unseres Denkens seinem
Wesen nach subjektiv ist. Man kann ueber die Freude nicht
belehren in dem man lacht; man kann ueber den Kummer nicht
unterweisen indem man weint; genauso wenig vermag man das Denken
zu vermitteln in dem man dessen Ergebnisse oder
Begleiterscheinungen schildert. Wenn man aber seinem Zweifel
treu bleibt und unerschrocken (without flinching) ueber sein
intellektuelles Erleben Rechenschaft ablegt, dann wird ab und zu
ein Leser zu aehnlicher Einsicht kommen, wird anfangen dies
Denken zu imitieren, und wird entdecken, dasz es gelingt; und
damit waere die paedagogische Aufgabe bestanden.
Des Einzelnen Bewusztsein seiner selbst begleitet und
begruendet all sein "Wissen"; und der Bezug auf dieses
Bewusztsein ist der Leitfaden, der einzelne und unentbehrliche,
der Erkenntnislehre.
Hingegen ist des Wissens bestaendiger Drang nach
Sachlichkeit Gegenstaendlichkeit, Objektivitaet. und doch
gelingt es dem Wissen nie diese Unabhaengigkeit vom Ich zu
erreichen. Zwischen dem Bewusztsein des Wissens und seiner
objektiben Darstellung ist ein Widerspruch. Die Untersuchung
dieses Widerspruchs ist das eigentliche Gebiet der
Erlenntnislehre.
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