19970724.01

     Die Aufgabe der erkenntnistheorie ist die unentrinnbare
(inescapable) Subjektivitaet des Wissens, des Erkennens, mit der
ueberwaeltigenden Gegenstaendlichkeit des gesellschaftlich
Gewuszten, mit der Wissenschaft zu vereinbaren.

     In dieser Hinsicht ist die Erkennenislehre nicht unaehnlich
der Theologie, wenn man deren Aufgabe als die Vereinbarung des
Subjektbewusztseins mit der gesellschaftlichen
Gegenstaendlichkeit betrachtet. Man meint im allgemeinen der
Gegensatz zum Ichbewusztsein, zur Subjektivitaet, waere die Natur
als das entgueltig Objektive.  Aber ich glaube nicht, dasz dies
der Fall ist. Der entgueltige Widerspruch scheint mir nicht
zwischen Geist und Koerper, nicht zwischen ich und Natur, sondern
zwischen dem Ich und dem (gesellschaftlichen) Nichtich zu sein.
Wenn man die Natur als Gegensatz zum Bewusztsein aufstellt, dann
vergeistigt man die Natur als Ebenbild seiner selbst.  Die
Vorstellung der Materie, des Stoffes des ungeistigen Wirklichen
ist ein Irrtum der die Philosophie auf viele Irrwege gewiesen
hat.

     Wie der Glaube sich auf unvorraussagbare Weise im Betragen
des Glaeigigen aeuszert, so aueszert sich die Skepsis (als das
beharrliche Ablehnung des gegenstaendlichen Wissens in
unvoraussehbarer Weise. Man mag behaupten, dasz jede gute Tag
ausdruck des Glaubens ist; aehnlich mag man behaupten, dasz jede
gueltige Erkenntnis, Ergebnis des Nichtwissens, die Frucht der
Skepsis ist. Ich weisz es nicht. Jedenfalls mag dies gesagt sein:
dasz die wirksame Erkennis mit der Skepsis so wenig unvereinbar
ist, wie die wertvolle Handlung mit dem Glauben.  Allenfalls: wie
die Selbstgerechtigkeit der Tugend im Wege steht, so steht die
Selbstsicherheit der Dogmatik, des behaupteten objektiven Wissens
(Gewuszten) der gueltigen (wahren) Erkenntnis entgegen.

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