19970724.00
Der Schluessel zur Erkenntnistherie ist nicht durch die
Erfindung von logischen Saetzen oder Maximen herzustellen (zu
besorgea, zu bewerkstelligen) (is not to be obtained by the
devising of yet further logical or mathematical algorithms.) Den
Schluessel zur Erlenntnistheorie musz ein jeder aus der
sorgfaeltigen, genauen, gewissenhaften, minuitioesen Betrachtung
und Beurteilung des eigenen Wissens, und des eigenen Gewuszten
zu ermitteln; und ist, wie Sokrates und Kant, jeder in eigener
Weise erklaert haben, vornehmlich negativer Art, naemlich die
Entdeckung des Scheins, des Trugs, der Selbsttaeuschung, des
Nichtwissens, die Entdeckung des "Ich weisz dasz ich nichts
weisz," durch die Entdeckung der transzendentalen
Unerreichbarekeit und Ungreifbarkeit des Dinges an sich zu
erfahren.
Die Scheinkunst der akademischen Philosophie ist das
unmoegliche Kunststueck diese Einsicht als objektiven sachlichen
Satz (Theorem) zu formulieren zu beanspruchen. Das geht nicht.
Erfolgreich sind dergleichen Versuche nur insofern der ehrlich
und ernstlich Lernende zu der Einsicht gereicht (kommt), dasz er
die Philosophie nicht "versteht", und da diese sich in
arstotelischem geist als Grund und Ursachswissenschaft bruestet,
dasz er weil er die Philosophie nicht verstehjt auch das was auf
sie gegruendet uns gebaut ist nicht zu begreifen vermag, dasz er
also auf Grund dieses schwierigen und toirtured Studiums zu der
Einsicht mkommt, dasz er weisz dasz er nichts weisz, zu welcher
Einsicht Sokrates ja schon auf direkterem Wege gelante.
Die gesaellschaftliche Problematik welche sich aus diesem
Bewusztsein des Nichtswissen entwickelt, - es war so von Anfang
an und ist auf den heutigen Tag so geblieben, ist dasz dieses
Bewusztsein des Nichtwissens keineswegs von anderen geteilt wird,
die auf ihr Wissen stolz, und durch ihr Wissen reich und maechtig
geworden sind. Wie schon Sokrates erfuhr, nehmen es jene dem
einzelnen bewuszt nicht-wissenden sehr uebel, wenn er es versucht
sie auf seine eigene Stufe des Nichtwissens, sei diese nun hoerer
oder niedriger zu ziehen. Zufrieden sind sie, so lange sie ihn
durch ihr Scheinwissen uebervorteilen koenne, durch dies
Scheinwissen Macht und Gewalt ueber ihn haben.
Entsteht aber durch Gesellschaftliche Umstaende (social
circumstances) der Zufall, dasz dies nicht moeglich ist, dasz die
wahre Ueberlegenheit des Nichtwissenden in Erscheinung tritt,
dann werden die vermeintlich Wissenden sehr boese auf den
zugegeben Nichtwissenden, verschmaehen, verfolgen ihn, bis sie
ihn zuletzt, um ihres Geistesfriedens willen, in einer Weise oder
der anderen, aus dem wege geschafft haben.
So erscheint eine Parallele zwischen der Verfolgung auf
Grund ethischer Ueberlegenheit, wie bei Jesus, und Verfolgung auf
Grund intellektueller Ueberlegenheit wie im Falle Sokrates. Und
die Verfolgung erscheint nun als das was sie ist: Ausdruck einer
Dissonanz, Disharmonie der gesellschaft, wobei der Verfolgte nur
das Ausloesende Moment ist.
In Angesicht unserer geistigen Verfassung ist aber die
Einsicht des Nichtwissens gesellschaftlich Mitteilbar ebenso
wenig wie das Bewusztsein des Glaubens. Ja, das Nichtwissen ist,
aehnlich dem Glauben, eine Beschaffenheit des Bewusztseins,
welche Beschaffenheiten ein Einzelner erleben mag, ueber welche
er reden, schreiben, prahlen mag, welche jedoch durch diese
Beschreibungen und Verkuendigungen keineswegs mitgeteilt werden
koennen.Ebensowenig wie der Glaube.
Ich bin also bei den Grundlagen einer existentiellen
Erkenntnistheorie angelangt,eine Erfahrung wie die von Keats
beschriebene, then felt I like some watcher of the skies ... Wie
der Glaube sich immer wieder am Aergernis entzuendet, so
entzuendet sich das Nichtwissensbewusztsein am objektiv
Wissbaren, und wie der Glaube mit dem Aergernis, so ringt auch
das Nichtwissen mit den Anspruechen des Gewuszten; und tut dies
auf vielen Stufen.
"Gefuehl ist alles." So wurzelt auch das Nichtwissen in der
Begeisterung. Der uralte Gegensatz von Gefuehl und Ratio, von
Gefuehl und Wissen, scheint sich wie Nebel beim Aufbruch der
Sonne zu lichten. Die Ratio als das begriffliche Erfaszte ist
sprachlich mitteilbar. Das Gefuehl ist und bleibt mein eigenes.
Begriff ist mitteilbar insofern er eine tatsaechliche
Umgestaltung des Gemuets des ihn Verstehenden bewirken kann.
Menschen verstehen einander, weil sie durch ihr (geistiges)
Zusammenleben tatsaechlich einander aehnlich, einander gleich
geworden sind.
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