19971101.03

     Die Ethik, wie sie gelaeufig gelehrt und gepredigt wird,
setzt des Menschen Willensfreiheit voraus; obgleich diese, wie
mir scheint, keineswegs selbstverstaendlich ist.  Man sieht
leicht, wie eine preskriptive, vorschreibende Ethik sich
auswirken wuerde, indem sie des Menschen Handeln zu dirigieren
beanspruchte.  Jedoch selbst wenn es in des Menschen Macht steht
seine Handlungen und seine Handlungsweisen zu bestimmen, so
schafft die unvermeidliche Diskrepanz (Miszverhaektnis) zwischen
dem theoretischen Ziel und den praktischen Mitteln
Approximationen welche in ihrer Abwegigkeit den Irrtuemern des
nur vermeintlich freien Willens kaum nachstehen.

     Selbst wo keine Willensfreiheit vorausgesetzt wird, ja wo
diese ausdruecklich abgelehnt wird, sind Betrachtungen ueber
Ethik bedeutsam.  Denn ungeachtet ob es in seiner Macht liegt
seinem Willen, seinen Absichten gemaesz zu handeln oder nicht, so
verfuegt der Handelnde dennoch ueber ein Weltbild das seinem Tun
und Lassen Sinn gibt und dies Weltbild zu deuten ist wertvoll,
selbst wenn diese Deutung keinen unmittelbaren, und vielleicht
auch keinen mittelbaren Einflusz auf die Handlung hat.

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     Es gilt seit Aristoteles das jede Handlung ein Ziel, einen
Zweck habe. Und doch ist dieser so selten bezweifelte Satz alles
andere als selbstverstaendlich. Selbst wenn dem so sei, so ist es
dennoch fragwuerdig inwiefern verschiedene Menschen das gleiche
Ziel haben, und sogar ob dem Einzelnen das gegebene Ziel von Tag
zu Tag oder auch nur von Stunde zu Stunde dasselbe bleibe.
Auszerdem gibt es ja soviele Menschen deren Denkvermoegen recht
rudimentaer ist;

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