19980120.00

     Kants Bemerkung, Anschauungen ohne Begriffe seien blind, ist
verwunderlich.  Was sind denn Begriffe?  Kant behauptet dasz
unser Wissen, unser Verstehen auf der Eindeutigkeit sprachlicher
Begriffe beruht.  Anschauung ist im dunkeln bis sie von Begriffen
erleuchtet wird, indem diese die Welt als aus Dingen bestehend
beschreiben?

     Mir scheint, dasz diese Behauptung den Begriffen eine bei
weitem zu grosze Bedeutung zumiszt, oder jedenfalls eine
irrtuemliche.

     Denn Begriffe, wenn ich nicht irre, sind ihrem Ursprung nach
Bestimmungen der Sprache; und Sprache ist ein gesellschaftlich
gepraegtes Kommunikations(Mitteilungs)mittel.  Im Gegensatz dazu
ist Anschauung eine unmittelbarere Erlebnisweise des Einzelnen.

     Kants Bemerkung weist hin auf die Gegebenheit, dasz die
menschliche Erkenntnis nicht, wie Descartes vorausgesetzt hatte,
auf dem Urteil des Einzelnen beruht, sondern dasz Erkenntnis eine
Taetigkeit der Gesellschaft ist: denn es sind die Begriffe
mittels derer wir erkennen die den Geist des Einzelnen mit (dem)
der Gesellschaft verbinden.  Begriffe sind Ausdruck des
gesellschaftlichen Zusammen.

     Begriffe ohne Anschauungen sind leer; Anschauungen ohne
Begriffe sind blind.  Es ist der Gegensatz von Ich, das allein
der Anschauungen faehig ist, und Gesellschaft in derem Wirken die
Begriffe ihren ausschlieszlichen Ursprung haben.

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