19980118.01

     Wenn ich heute, in meinem 68. Lebensjahre, einen neuen
Anfang mache meine Eindruecke, Gedanken, Empfindungen,
Anschauungen und Schluszfolgerungen niederzuschreiben, so stimmt
mich dies einerseits zur Traurigkeit, insofern als es besagt,
dasz ich das, was ich mir lebenslang als Zweck und Ziel meines
Lebens vorgesetzt hatte, an meines Lebens Ende, oder jedenfalls
fast am Ende, nun doch nicht erreicht habe; und dasz wenig
Aussicht besteht, dasz was ich bisher nicht geschafft habe, jetzt
noch zu erreichen vermoechte.

     Andererseits hingegen ist die Tatsache, dasz ich noch heute
den Mut aufbringe, eine solch schwierige Arbeit zu beginnen, und
dasz ich, wenn ich mich nicht taeusche, ueber die Faehigkeiten
verfuege, ein solches zu bewerkstelligen, oder jedenfalls
sinnvoll daran zu arbeiten, ein groszer Segen, eine grosze Gnade.

     Der Beweis liegt im Erfolg.  The proof of the pudding, wie
die praktischen Amerikaner sagen, is in the eating.  Doch ist es
in diesem Falle durchaus unbestimmt was damit gemeint werden
moechte.  Ob das Erzeugnis lediglich im Geist, in der
Vorstellung, in der eigenen inneren Selbstzufriedenheit mit sich
und seiner Arbeit bestuende; ob in der Anfertigung eines mehr
oder weniger vollstaendigen (complete) Textes, - Manuskript ist
laengst nicht mehr der passende Ausdruck, - ob in der
Veroeffentlichung, oder in der Anerkennung welche guenstigen
Falles auf die Veroeffentlichung folgt, oder erst in dem Ruhm
welche seinem Inhaber eine Stelle in der Geistesgeschichte
sichert, oder vielleicht sogar in der Bezahlung, in dem Reichtum
welchen der Ruhm nach sich zieht.  Wer koennte es sagen?

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