19980211.00
Die vorigen Erwaegungen legen es nahe, (suggest), deuten auf
eine unterschiedliche Ausdehnung des Gegenwartsbewusztseins. Ich
frage ob es moeglich ist einen absoluten Unterschied zwischen dem
subjektiven, existiellen Jetztundhierbewusztsein und der
sachlichen objektiven Beschreibung der Welt zu ziehen. I ask
whether the difference is one of quality or mearely a matter of
degree.
Die (grosze) Aufgabe die ich mir gesetzt habe ist die
Unterscheidung zwischen dem augenblicklichen, lebhaften, im
Zeitraum so eng begrenzten gegenwaertingen Bewusztsein, und der
so unermeszlich weit ausgedehnteren Vorstellung welche das
momentane Bewusztsein besetzt (vertritt). welche im momentanen
Bewusztsein vertreten ist, und welche tatsaechlich nirgends
anderswo zu finden ist als in der Gegenwart des Augenblicks.
An diesem Ausgangspunkt liegt die Wurzel aller kritischen
Erkenntnistheorie; und zu diesem Punkt von welchem sie ausgeht,
musz die erkenntnistheoretische Betrachtung auch zuletzt
zurueckkehren, und sie kehrt zurueck mit unerfuelltem Auftrage,
weil ihr Auftrag schlechthin unerfuellbar ist.
Ich frage: was sind die zeitlichen, was die raeumlichen
Begrenzungen des momentanen Bewusztseins? Ist es moeglich, dasz
die Grenzen des momentanen Bewusztseins tatsaechlich bewegbare
sind? Dasz sie sich bei akuter Reflexion (Betrachtung) auf den
winzigsten Zeitpunkt zusammenziehen, dasz bei diesem Zusammenzug
die Raeumlichkeit des Erlebens ausgeloescht oder jedenfalls
unterdrueckt wird? So dasz bei der primaeren cogitatio, bei dem
cogito ergo sum, das Erkennen von allem Aeuszeren abgezogen wird
nur nach innen gewandt, wo die Innerlichkeit, die Subjektivitaet,
als Pruefstein und Behaeltnis der Wahrheit erscheint.
Ist es denn aber vernuenftig anzunehmen, dasz die
urspruengliche Besinnung auf sich selbst von den weiteren
Besinnungen welche "mit bedaechtger Schnelle" "vom Himmel, durch
die Welt, zur Hoelle" wandern, qualitativ gaenzlich unterschieden
sein sollte? Genetisch, der Entwicklung gemaesz, ist ja das
Selbstbewusztsein eine spaeter Erscheinung. Das Kind, der junge
Mensch, ist zwar voellig von sich selbst, von eigenem Interesse,
von eigenen Gedanken und Gefuehlen, von Egoismus eingenommen
(taken up with, in Anspruch genommen), wobei ihn der Egoismus als
so selbstverstaendlich duenkt, dasz er ihn als etwas von Natur
gegebenes betrachtet. Die Welt ist ihm wirklich so wie er sie
sich von Augenblick zu Augenblick vorstellt. Die Tatsache der
Vorstellung aber, die Tatsache, dasz Vorstellung von Wirklichkeit
unterschieden sein musz, eroeffnet sich ihm, (offenbart sich,
becomes obvious) erst im Alter, erst nach nach wiederholtem
Versagen der Erkenntnis.
Es ist also wichtig zu erkennen, dasz der Begriff der
Subjektivitaet ein heuristischer ist: nicht die Bezeichnung eines
Begriffsgegenstandes dem entsprechend irgendwann und irgendwo ein
Objekt existiert, sondern eine Improvisierung des Denkens an
welcher man, wie an einem Ariadnefaden, wenn auch nur auf sehr
unbefriedigende und beschwerliche Weise den Weg aus dem Labyrinth
seines Denkens sucht.
Legt aber nun diese Erkenntnis, dasz der Begriff der
Subjektivitaet ein heuristischer ist, die Frage nahe, ob nicht
_allen_ Begriffen diese Eigenschaft des Heuristischen zukommt,
und wenn, ob in gleichem oder minderem Masze.
Die Heuristik ist Eigenschaft _aller_ Begriffe. Die
Heuristik aber wird erkannt nur beim reflexiven Denken: beim
Denken ueber das Denken. Die Heuristik wird nicht erkannt wo das
Denken das Erleben, das Handeln beabsichtigt. Und diese
Tatsache, dasz das Denken ueber das Denken, das
erkenntnistheoretische Denken also, eine tatsaechliche Umwandlung
des Denkens bewirkt ist das Zeichen von dessen Wirksamkeit. is
evidence strongly suggestive of the efficacy of theory.
Zurueck nun zu einer vorigen Frage: ob das Selbstbewusztsein
jetzt auf sich selbst beschraenkt ist, oder ob, und unter welchem
Umstaenden es sich auf die Welt ausdehnt. Normaler, ordinaerer
Weise ist der Mensch sich seiner selbst als Autor seiner Gedanken
ueberhaupt nicht bewuszt. Die Tatsache das "Er" es ist der denkt
musz erst durch eine Gedankenuebung, durch eine cartesianische
Meditation hervorgerufen werden. Die (Auszen)welt erscheint ihm
von seinem Denken unabhaengig, und dasz sie seine Vorstellung
sein sollte, (wie etwa Schopenhauer behauptet) scheint ihm
unbegreiflich. Verbunden mit aller Welt fuehlt er sich
vornehmlich in Augenblicken mystischer Ekstase: "Eines zu sein
mit allem was lebt." oder wie Byron schrieb, "Are not the
mountains, seas and skies a part of me and I of them." oder
aehnlich. Soviel ich weisz hat aber, abgesehen von Kierkegaards
Gleichzeitigkeit, von Schopenhauer, and spaeter von Hans
Vaihinger, diese Einbeziehung der Welt in den Raum des Ichs im
philosophischen Schrifttum keinen Widerhall gefunden.
Anders erklaert: der analytische Versuch mein Verstaendnis
von der Welt zu verstehen scheint mich unvermeidlich (inexorably
invariably) auf mich selbst zurueckzufuehren. (Musz dem so
sein?) Bei diesem Rueckzug auf das Ich wird die Auszenwelt
zurueck, wird im Stich gelassen, (is abandoned); wird entweder
"nur" Vorstellung, oder wird zum unergreifbaren Ding an Sich.
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Die Vergangenheiten von welchen die Geschichte erzaehlt sind
uns unerreichbar, auszer denn als Geschichte; und gehen mittels
der Geschichte in die Gegenwart ein. Diese Unerreichbarkeit
beruht auf dem Gegeben des Vergangensein, welches voraussetzt,
dasz das Zuerlebende nicht mehr besteht and must therefore be
recapitulated in the imagination. und deshalb mittels der
Vorstellung aufgeholt (nachgeholt) werden musz.
Mit dem Nichtvergangenen, dem Fortbestehenden, ist es ganz
anders. Zwar kann dieses auch auf Geschichte aus dieser oder
jener Vergessenheit aufgeholt werden; aber mit geringerer
Ueberzeugung. Denn die Ueberzeugungskraft der Geschichte stammt
aus der tatsaechlichen Unerreichbarkeit des Geschehenen. Besteht
aber, wie beim Denkmal, wie bei alten Bauten, das Einstige (das
was Einst war) fort in die "Gegenwart", so wird in angesicht der
Gegenwart das Vorherige belanglos; und die Erkenntnis wird
befriedigt dadurch dasz man das Einstige aufs neue und immer
wieder aufs neue erlebt.
So teilt das Erkennbare sich in zwei grosze Abteilungen.
Das Vergangene das nur mittels der Geschichte (Erzaehlung) auf
und nachgeholt werden kann; und das (fort)Bestehende welches
auszerhalb und ohne die Geschichte erlebt, und immer wieder
erlebt werden kann. [Mir scheint dies eine sinnvollere
Aufteilung der Wissensgebiete als die herkoemmliche in Geistes
und Naturwissenschaften.]
Dabei ist bemerkenswert, dasz diese Aufteilung auch das
Wissen um die Kunst und Literatur zerreiszt, und naemlich in zwei
Teile: das was von ihnen einzigartig (unique) ist und in der
Vergangenheit liegt, und das andere ihingegen, meinetwegen der
Sinn, der immer wieder aufs neue vom Leser entdeckt und
entwickelt werden musz.
Das Verstaendnis des Bleibenden (oder des unveraendert
Wiederkehrenden, Denn wer wuerde sich um die Geschichte eines
Vergangenen kuemmern, wenn gleichzeitig die Moeglichkeit, die
Gelegenheit zu neuem, gegenwaertigen, unbehinderten Erleben
bestuende. ist ueberzeugender als das des historischen, weil das
gegenwaertig bleibende andauernde Gelegenheit zu gruendlicherem
Verstaendnis gibt, waehrend das Vergangene nur in Geschichten
lebt, deren unzahlige moegliche Variationen die Gueltigkeit jeder
einzelnen in Frage stellen.
Insofern die Wirklichkeit des Vergangenen aus Artefakten,
aus Urkunden deduziert wird, scheinen diese Gegenstaende die
Historie in den Bereich der Gegenwartswissenschaften zu ruecken;
doch nur in dem uneigentlichen Sinne, dasz man zum Beispiel die
Syntax, die Rechtschreibung des Dokuments der Analyse unterziehen
koennte, dessen Papier oder Tinte, stets aber nur in Bezug auf
das Bleibende oder Wiederkehrende daran. Das Einmalige das
urspruenglich seine Verfertigung bedingte, ist vergangen, ist in
diesen Faellen, wie in allen anderen unerreichbar, und vermag nur
in der Erzaehlung, in der Entwicklung (Ausfuehrung) des
Erinnerten ergriffen zu werden. (to be recaptured)
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