19980212.01

     Das Lesen, die Deutung des Geschriebenen ist die Basis zwar
nicht alles Wissens, aber gewiss aller Erscheinungen, Darlegungen
des Wissens.

     Ein Mensch mag sprechen koenne, oder Klavier spielen, oder
mag sonst ein Koennen oder eine Kunst ausueben koennen.  Mag kann
dergleichen Faehigkeit als Wissen beschreiben.  Ein solches
Wissen ist ein Koennen, und sollte der Klarheit halber vom
beriffliche Wissen, von all dem Wissen das in Worten oder anderen
Symbolen niedergeschrieben werden kann, getrennt und abgesondert
betrachtet werden.  Das geschriebene Wissen wird im Moment des
verstehenden Lesens wirklich.  Diese Wirklichkeit des
verstaendnisvoll Gelesenen wenngleich sie weit hinaus ueber den
Weltraum, rueckwaerts in alle Urvergangenheiten, und forwaerts in
alle meszbaren und unermeszbaren Zukuenfte weist, bleibt denn
noch unvermeidlich, unabaenderlich, unwiderruflich die
Wirklichkeit des gegenwaertigen Bewusztseins, und nur des
gegenwaertigen Bewusztseins.

     Mit dieser Einsicht ist der Kreis der Erkenntnisforschung
geschlossen, was keineswegs bedeutet, dasz das Geheimnis der
Erkenntnis geloest waere.  Geloest ist es wahrhaftig nicht, aber
zugaenglicher gemacht ist es, als es bisher war, zugaenglich auf
einer bestimmten, gegebenen Stufe,

     Mit dieser Einsicht ist die eigentliche Aufgabe der
Erkenntnisforschung nicht nur nicht geloest oder beseitigt.  Sie
ist erst gesetzt.  Und es ist nicht eine einzige Aufgabe; es sind
unzaehlige, myriaden von Aufgaben welche sich von selbst stellen
oder stellen sollten, wenn immer es um das Wissen geht.  Und da
sind natuerlich verschiedenste Stadien des Wissens.  Es gibt ein
Examenswissen, welches mit den "richtigen" Antworten auf
erkuenstelte Fragen zusammen faellt (coincides, zusammentrifft,
sich deckt).  Es gibt das Wissen der Erfahrung welches Antwort
weisz auf praktische Fragen, welches dem Handeln und dem
abwickeln der Aufgaben welche das Leben von Tag zu Tag bietet
Vorschub leistet.  Es gibt das Wissen der Forschung welches
bestrebt ist ein innerlich uebereinstimmendes internally
consistent folgerichtiges Begriffsgebaeude aufzuziehen.  Es gibt
auch ein scholastisches Wissen, welches dem Begriff eine
ungebuehrliche Wirklichkeit zuspricht.

     All diese Wissensformen haben dies gemeinsam, have this in
common, dasz sie den um das Wissen Besorgten zu weiterer Pruefung
auffordern.  Und dieses Pruefen besteht in einer existentiellen
Reduktion (Aufloesung, Zurueckfuehrung) des Wissens einerseits
auf das momentane Erleben, andererseits auf seine empirische und
logische Grundlage (Basis), drittens auf seine praktischen Folgen
und letztens auf den gesellschaftlichen Nexus (Zusammenhang,
Verbindung)

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