19980213.00

     Es ist verwunderlich, dasz eine Schrift wie diese, welche in
bescheidenem Masze die Faeden des Denkens zu entwirren versucht,
deshalb einer Entschuldigung beduerfte.  Es wird ja ueber so
vieles sonst, ja ueber alles in verantwortungsloser Weise
geschrieben und veroeffentlicht ohne dasz an dergleichem
Schreiben Kritik geuebt wuerde.  Nur dies, beanspruchen ueber das
Denken selbst zu schreiben, und allenfalls es ohne akademische
Genehmigung zu tun, scheint ungehoerig.  Andererseits aber ist
vielleicht gerade die Kritik welche die Bemuehungen hervorrufen,
ein Anzeichen der Bedeutung der Fragen welche aufgeworfen werden.
Ich bitte fuer meine ungehoerigen Anstrengungen um
Entschuldigung, mit dem Vorschlag, dasz man versuchen sollte, sie
so unvoreingenommen zu lesen wie moeglich, und sie hinnehmen fuer
das was sie sind.

     Mir jedenfalls erscheint diese geistige Taetigkeit, ueber
das Denken nachzudenken, die bedeutendste von allen.  Sie ist die
natuerliche Erweiterung Ausdehnung Fortfuehrung des Denkens
ueberhaupt (im allgemeinen).  Denn was ist Denken anders als die
naturhafte Einordnung unserer Sinneswahrnehmungen in ein System
inwendiger Symbole und Bilder, insofern als die inneren nicht
weniger als die aeuszeren Wahrnehmungen notwendigerweise einer
Selbstkontrolle unterliegen muessen.  Jedes Wirken des Organismus
kann begriffen werden nur unter der Vorstellung, dasz es seine
eigene Begrenzung in sich traegt.  Wir erkennen die Begriffe,
diese geistigen Dinge, nur durch ihre Grenzen, genau wie wir die
Dinge im Raum durch ihre Grenzen konstatieren.  Beanspruchen wir
nun die Moeglichkeit mit unseren Gedanken alles Erleben in seiner
Gesammtheit und in allen Einzelheiten potentiell jedenfalls zu
erfassen, so ist es notwendig zu diesem Zwecke die Art und die
Grenzen unseres Denkens zu bestimmen.  Darin liegt die Bedeutung
der Erkenntnistheorie.

     In diesem Sinne ist die erkenntnistheoretische Bemuehung
nichts neues. Streit und Bangnis um das Erkennen, Schuld und
Suehne unerlaubter Erkenntnis halber, verbildlicht als das Essen
vom verbotenen Baum der Erkenntnis, sind schon am Anfang der
Geistesgeschichte berichtet.  Aber trotzdem sie vom Baum der
Erkenntnis genossen haben, bleibt Gott den Menschen dennoch, in
betreff auf das Wissen unendlich ueberlegen.  Das Wissen Gottes
dient die Beschraenktheit des eigenen Wissens aufzuwiegen.  God's
knowledge is the complement of human knowledge.  God's knowledge
compensates for the deficiencies of human knowledge, or so it has
long been assumed.

     Es ist das Schicksal des Menschen die Ursuende, vom Baum der
Erkenntnis zu begehren, immer aufs neue begehen zu muessen.

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