19980218.00
Ich habe die halbe Nacht mit einem dumpfen Gefuehl im
Brustkorb wach gelegen; ich fuehlte mein Herz klopfen. Es tat
nicht weh, aber ich fuehlte Beengung. Da wurde mir zum ersten mal
klar, was der Volksmund meint, wenn er von einem zerbrochenen
Herze redet. Und ich war mehr denn je von Kierkegaards Behauptung
ueberzeugt, dasz die Subjektivitaet die Wahrheit ist.
Das beweisen Trauer, Reue, Aerger, und all die anderen
starken, lebendigen Gefuehle die das Herz bewegen. Von Denkern
welche die Inwendigkeit herabsetzen, welche behaupten, es sei
nichts daran, und nicht die Subjektivitaet sondern die
Objektivitaet sei die Wahrheit, musz man annehmen, dasz sie diese
Gefuehle nicht kennen, oder nur sehr abgeschwaecht.
An diesem Orte aber musz ich das Problem erwaehnen, welches
sich aus der Verherrlichung der Subjektivitaet ergibt, dasz
naemlich, wie erwaehnt, es vornehmlich die starken Leidenschaften
sind, welche die Inwendigkeit offenbaren und welche in der
Inwendigkeit offenbart werden; dabei erinnere ich mich der
platonischen Lehren von der Beziehung der Vernunft (nous) zu den
Leidenschaften. In Bezug auf das Subjektive, widersprechen sich
Kierkegaards und die platonische Philosophie. Das Wesen der
Vernunft ist die begriffliche Sprache, der Logos. Wenn die
begriffliche Sprache als das Objektive, die Gefuehle als das
Subjektive zuegeln und regieren soll, so bedeutet es, entgegen
Kierkegaards Behauptung, dasz nicht die Gefuehle, nicht
Subjektivitaet, sondern der objektive Geist, dasz die
Objektivitaet die Wahrheit ist.
Wer ist im Recht, Platon oder Kierkegaard? Kann man diese
beiden Urteile mit einander vereinbaren?
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