19980228.00

     Die tiefe Bedeutung welche Kierkegaard der Behauptung, die
Subjektivitaet sei die Wahrheit, zumiszt, veranlaszt, weil der
Sinn unbestimmt ist, die dringende Frage, was er denn damit sagen
will.  Demnach fragen wir, was ist Subjektivitaet? Was ist
Wahrheit?

     Es ist Ausdruck des Wesens der Sprache, dasz sie den Flusz
der Erlebens in getrennte gegenstandaehnliche Begriffe zerteilt,
aus welchen der Verstehende die dem Sprechenden urspruengliche
Bedeutung wiederherzustellen vermag.  Es sind die getrennten,
gegenstaendlichen Begriffe, denen die Worte entsprechen, an
welche wir uns fragend wenden, wenn wir den Sinn des Gesagten
nicht verstehen.

     Die Grammatik unterscheidet zwischen Gegenstandsworten und
Zeitworten, zwischen Nomina und Verba.  Nomina sind namen von
erlebten Dingen.  Verba beschreiben das Verhalten dieser Namen zu
einander.  Aber auch die Verben, die Zeitworte welche
urspuenglich das Verhalten der Begriffe zu einander beschreiben,
werden, wenn wir sie zu erklaeren versuchen, vergegenstaendlicht.
So fragen wir, wenn wir einen Satz nicht verstehen nach den
Gegenstaenden von denen er zu berichten scheint.  In diesem Sinne
fragen wir, Was heiszt Subjektivitaet.  Wir muessen aber auch
fragen, was ist Wahrheit?  Mit unserem Suchen nach Augfklaerung,
entspinnt, entwickelt sich unser Unverstaendnis in ein Geflecht
von Fragen und Antorten, welche genauer betrachtet, wiederm
unverstanden oder halb-verstanden bleiben muessen.  Am Ende, wie
Lessing schon erkannte, sind es nicht die Antworten die
befriedigen, sondern das Suchen nach ihnen.  Was wir unter
Subjektivitaet zu verstehen haben, ode runter Wahrheit, ist damit
immer noch nicht bestimmt.

     Subjektivitaet laeszt sich nur negativ, als das was sie
nicht ist, bestimmen.  Subjetivitaet ist was Objektivitaet
_nicht_ ist.  Es erweist sich ja gerade auch schon aus der
Betrachtung der Sprache dasz was wir zu erkennen vermoegen zu
Gegenstand wird, selbst das fluechtigste und ungreifbarste, wie
etwa die Seele.  Und diese Vergegenstaendlichung des Nicht
Gegenstaendlichen betreitet unendliche Schwierigkeiten.  Denn,
tatsaechlich ist unser Erleben ein Strom von Eindruecken aus
denen die Gegenstaende erst hinterher hervortreten.

     Schon Platon hat im Sophisten die Frage nach der Wesenheit
der Begriffes bejahend aufgeworfen. Aber dasz Begriffe wirklich
waeren, oder auch nur, dasz sie begrenzenten definitiven
Gegenstaenden entspraechen, diese Annahmen setzen eine Festigkeit
(fixedness) der Sprache voraus welche in begrenztem
Gesellschaftsraum zwar vorstellbar ist, welcher jedoch unsere
Erfahrung und Beobachtung staendig widersprechen. Denn wir hoeren
es ja mit eigenen Ohren, wie sich die Sprache verwandelt, wie
gesetzte Worte ihren einstigen Sinn veraendern um einen neuen
anzunehmen, wie neue Worte erfunden werden; vor allem aber wie in
jedes Einzelnen Gemuet der sich seiner bedient, dasz Wort, ein
jedes Wort eine wenn auch nur geringe Abwandlung erfaehrt, so
dasz die einige Bedeutung (unitary meaning) des Wortes eine
unbegruendete Vorstellung ist, ein unerreichtes und
unerreichbares Ideal, mit anderen Worten, eine Taeuschung.

     Was den Ausdruck Wahrheit, als Praedikat jener Behauptung,
die Subjektivitaet ist die Wahrheit, anlangt, so dient er in
diesem Zusammenhang als unspezifische Bestaetigung,
Bekraeftigung, als Sinnbild des Zuverlaessigen, des Wirkenden.
Ausfuehrlicheres ueber den Wahrheitsbegriff laeszt sich
selbstverstaendlich feststellen.  Dies ist aber an dieser Stelle
ueberfluessig.

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