19980331.00

     Es ist ja gut und schoen, Verstaendnis zu erheischen, indem
man beharrlich auf das Erleben hindeutet.  Wirksam (effective)
aber ist dies nur in einem geistig-seelischen Milieu in welchem
Gemeinsamkeit schon in hohem Masze waltet.  Die gemeinsame
Sprache ist Vorbedingung; und das Ringen um Verstaendnis der
Worte die man miteinander austauscht ist prototypisch auch fuer
das gemeinsame Begreifen des Sinnes der Hinter den Worten und
ihnen zugrunde liegt.  Letzten Endes beruht das Verstehen darauf,
dasz die Menschen einander aehnlich sind, dasz sie die gleich
Sprache sprechen, dasz sie die selben Lieder singen., dasz sie in
denselben Haeusern leben, dasz sie die gleichen Garten pflegen,
dasz sie gemeinsam ihre Kinder erziehen, dasz sie sich von
derselben Kunst begeistern lassen, dasz sie dieselben
Gottesdienste verrichten.

     So besagt das Verstaendnis die Bindung an andere.
Verstanden sein heiszt in eine Gesellschaft gebunden sein.  Den
anderen zu verstehen bedeutet ihn zu binden.  Unverstanden sein
aber ist Freiheit.

     Wir machen grosze Aufwaende und sparen keine Muehe einander
zu belehren.  Wir meinen dem anderen ein Wissen beibringen zu
koennen indem wir ihn mit Worten, mit Begriffen, mit symbolischen
Darstellungen ueberhaeufen.  Aber ich taeusche mich, wenn ich
voraussetze, dasz der andere meinen Worten dieselbe Bedeutung
zumiszt, wie ich selber. Die Bedeutung der Worte entspringt,
erwaechst dem Umgang mit ihnen, erwaechst, wie Blume und Frucht,
aus ihrem Gebrauch.

     Ich lehre und ich lerne nicht durch quasi-mechanische
Uebertragung von Worten oder Begriffen an oder von einem anderen.
Ich lerne in dem ich mich von Worten und Begriffen affizieren
lasse, in der ich sie im Gebrauch zu einem Teil meines Gemuets
werden lasse, dementsprechend  mein Denn es ist auch eine
uebermaeszige Vereinfachung (oversimplification) das Gemuet als
einen Behaelter aufzufassen, in welchem Worte, Begriffe,
historische, wisschenschaftliche  oder sonstige Tatsachen
irgendwie vorraetig gespeichert sind. Es handelt sich nicht um
eine Sammlung geistiger Dinge. Es handelt sich um Faehigkeiten,
um moegliche Handlungsweisen deren Macht und Reichweite ich
vorerst nur ahnen kann, welche aber offenbar werden erst in der
Ausfuehruing (Ausuebung.)

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