19980904.00
Es ist eine uebermaeszige Vereinfachung, sich eine
Regierungsform auszumalen, etwa eine Demokratie, welche gaenzlich
auf der Zustimmung ihrer Untertanen beruht. Zugegeben, die
Demokratie, wie wir sie kennen, ermoeglicht - und erfordert -
einen Einflusz der Untertanen auf die Regierung. Aber dieser
Einflusz unterliegt bedeutenden Beschraenkungen. Und obgleich
alle Regierungsbeamten gewaehlt werden, und sogar auf Grund eines
Referendums ihrer Aemter enthoben zu werden vermoegen, so werden
dennoch wesentliche Teile der Bevoelkerung unzufrieden sein mit
ihrer Regierung, und voellig zufrieden wird kein einziger sein.
Die Demokratie bewirkt eine Gleichschaltung der Menschen
untereinander, allenfalls insofern sie Mitglieder einer Gemeinde
oder eines Staates sind. So wird dann auch die Politik als die
Handlungsweise des Staates, oder praeziser ausgedrueckt: die
Handlungen welche einzelne Menschen im Sinne oder als Vertreter
der Gesamtheit begehen auf einem Niveau der Mittelmaeszigkeit
verbleiben muessen. Erscheint aber ein Mensch von
auszergewoehnlicher, uebermaesziger Faehigkeit, so werden ihm die
Schwingen gestutzt. Es wird ihm verwehrt sein, sich ueber den
Durchschnitt zu erheben; obgleich dies ihm dennoch gelingen wird,
denn die Ueberlegenheit des Einzelnen ist eine Erscheinung und
eine Wirklichkeit der Natur.
Man versucht sich eine Regierungsform vorzustellen in
welcher die Faehigkeiten des Einzelnen zur Geltung kommen
koennten. Und sachloch, realistisch betrachtet ist eine solche
nicht zu entdecken. Denn wenngleich theoretisch die Aristokratie
ein das Muster einer solchen Gesellschaft bieten sollte, so wirkt
sie sich doch in der Praxis entgegengesetzt aus. Nicht die
edelsten sondern die boesesten Menschen besetzen dann die
Regierung. In diesem Zusammenhang ist es notwendig daran zu
erinnern, wie gefuegig (malleable) die Vorstellungen der
Untertanen, die ihre Herrscher durchweg als gut und edel
anzuerkennen bestrebt sind; so dasz die gesamte politische
Gegenwart der Taeuschung anheim faellt. Die Untertanen
verbringen ihr Leben in dem Wahn von guten Geistern geleitet und
regiert zu werden, und nur ganz selten, und blitzartig wird ihnen
klar, wie grauenvoll, wie entsetzlich die Menschen denen sie
untergeben sind.
Die Wertsetzung zieht viele Probleme, viele unbeantwortete
und unbeantwortbare Fragen nach sich. Das Bestimmen von Werten,
dasz diese Umstaende, Dinge oder Personen besser oder schlechter
als jene seien, wurzelt tief und fest in der Psyche des Menschen;
und ist doch unvollkommen und in diesem Sinne verfehlt. Es ist
ein Irrtum vorauszusetzen, dasz eins besser als das andere sein
sollte, oder wenn er es waere, dasz diese Vorzueglichkeit einem
von uns erkennbar sein sollte. Dieser Unerkennbarkeit des Guten
entspricht die Vorstellung dasz allein Gott gut sei, dasz aber
die Preisung eines Menschen Vorstufe des Goetzendienstes ist,
weil Gott allein die Ehre gebuehrt. In dieser Sicht erscheint
die Demokratie als die froemmste aller Regierungsformen.
Aus theologischer Sicht waehlen wir die Demokratie, - eben
weil nur das Goettliche gut ist; weil die Aristokratie
voraussetzt, dasz (auch) Menschen gut zu sein vermoechten. Dasz
es (auch) der Demokratie unmoeglich ist dem Willen des Einzelnen
nach zu kommen, die Freiheit des Einzelnen zu bewahren, dasz sie
unter Umstaenden einen Zwang auf ihn ausuebt der nicht geringer
ist als der Zwang der entsetzlichsten Tyrannei, dies alles soll
nicht geleugnet werden; und ist Zeugnis fuer die Tatsache, dasz
das Innere nicht das Aeuszere ist, dasz der Einzelne nicht in der
Gesellschaft aufgehen kann, und dasz selbst wenn er dies koennte,
er es nicht duerfte, - aus Erwaegungen der Froemmigkeit.
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