19981002.01

Date: Sun, 27 Sep 1998 18:57:58 -0400
To: Ernst Meyer 
From: Bill Edwards 
Subject: Re: ecclesiology (1)
Content-Transfer-Encoding: 8bit
X-MIME-Autoconverted: from quoted-printable to 8bit by mail2.netcom.com id PAA11071
Status: RO

>Es ist deshalb unvermeidbar, dasz die Beziehung
>des Einzelnen, des Glaeubigen zur Kirche die Spannung
>des Widerspruchs aufweist; und dasz alle kirchliche
>Dogmatik eine Dialektik heaufbeschwoert welche
>der Unvereinbarkeit von Innen und Auszen, von Subjektivitaet
>und Objektivitaet, unverkennbaren Ausdruck gibt.
>So ist es unvermeidlich, dasz fuer den frommen
>Menschen die Kirche sich immer wieder als Skandal offenbart,
>und dasz fuer die gesetzte, erfolgreiche dogmatische Kirche
>der Glaeubige, der Christus Nachfolgende, zum Skandal werden
>musz. Es ist heutzutage nicht weniger wahr als vor zwei
>tausend Jahren: Selig ist, der sich nicht aergert an mir.
>
>=======================
>
>Please let me know if and when you would like to get
>together again. I hope your wife will be able to come
>with you.

Vielen Dank fuer Ihre Bemerkungen ueber die Kirchenlehre (Ekklesiologie?).
Wenn ich mal grammatische oder idiomatische Fehler beim Deutschschreiben
mache, wuerde ich Sie darum bitten, mir Bescheid zu sagen, aber auch die
Fehler zu entschuldigen.  Es macht Spass, meine Deutschkenntnisse wieder
ueben zu koennen!

Ich gebe Ihnen voellig recht, dass die Kirche sehr oft bezwingend durch
ihre Geschichte gewirkt hat.  Leute zwingen zu glauben, ist aber unmoeglich
und sogar laesterlich--es widerspricht den Begriff der freien Entscheidung,
die des Glaubens Voraussetzung ist.  Ich hoffe sehr, dass die Kirche im
wesentlichen nicht so ist.  Ich bin sehr der Meinung, dass die Kirche keine
weltliche oder staatliche Macht haben darf, wie sie im Mittelalter hatte.
Wie ich in meiner kleinen Homilie sagte, betrachte ich solche Macht als
verderbend.  Und diese Macht oder der Stolz, der dazu gehoert, wird zu
einer toedlichen seelischen Krankheit, wie Sie meinen.

Heutzutage, hat die Kirche (zumindest hier in den USA) wenig oder keine
staatliche Macht, Gott sei Dank.  Aber man verlangt, dass sie  noch eine
gesellschaftliche Rolle spielt, als die Hueterin der Moralitaet, oder so
was.  Zu oft ist es aber so, dass die Kirche die gelaeufigen
gesellschaftlichen Sitten spiegelt, wo sie aber prophetisch dagegen
sprechen sollte.  (Wie Sie meinen, steht Jesus genau in der prophetische
Rolle, wie Amos oder Jeremias sie verstanden, und die Kirche hat auch
dieselbe Verantwortung, sich prophetische auszudruecken).  Die Kirche wehrt
sich zum Beispiel gegen die Abtreibung, oder gegen die Homosexualitaet,
sagt aber absolut gar nichts ueber den Materialismus unserer heutigen
Kultur.  Ich glaube auch, dass die Kirche zu wenig auf die Aussage des
Paulus aufpasst:

"Stellet euch nicht dieser Welt gleich, sondern veraendert euch durch die
Erneuerung eures Sinnes, auf daB ihr pruefen moeget, welches da sei der
gute, wohlgefaellige und vollkommene Gotteswille" (Roemer 12.2).

Wie Sie schrieben, koennen wir es nicht entgehen, dass wir an einer
Gesellschaft irgendeiner Art teilnehmen.  Ebensowenig kann die Kirche es
entgehen, dass sie zu einer menschlichen Gesellschaft wird.  Die Kirche
wird immer unvollkommen und sogar suendhaft sein, weil sie aus
unvollkommenen und suendhaften Menschen besteht.  Wie Luther schrieb, sind
wir, und ist die Kirche "simul justus et peccator".  Es wird immer eine
solche Spannung geben, die ich aber nicht unbedingt als voelliger
Widerspruch betrachte.

Aber trotzdem glaube ich und hoffe ich, dass sie das Leib Christi bildet.
Wieder schrieb Paulus, "Wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen." (2
Kor 5.7).

Wir wuerden Sie und Ihre Familie gerne wiedersehen, und wir danken Ihnen
fuer Ihre Einladung!  Wir wuerden Sie zu uns auch gerne einladen.  Das
waere vielleicht am besten, wenn wir unser Sofa zurueckbekommen, was wir
innerhalb ein Paar Wochen erwarten.  Inzwischen wuerde ich gerne mit Ihnen
zu Mittag oder zu Abend in Harvard Square essen, wenn Sie Lust haetten.
Gruessen Sie Ihre Frau und Ihren Sohn von mir. -- Bill


                            * * * * *

Zurueck : Back

Weiter : Next

1998 Index

Index