19981002.03

                 Erkenntnistheorie und Theologie

     Einer der verhaengnisvollster Irrtuemer neuzeitlichen
Denkens scheint mir die unausgesprochene Voraussetzung, dasz der
Gegenstand welcher von der Theologie behandelt wird von dem Stoff
der Wissenschaft grundsaetzlich (absolut qualitativ)
unterschieden sein sollte.  Man glaubt an Gott, aber man weisz,
dasz die Geschwindigkeit des Lichtes 186,000 Km pro Sekunde
betraegt.  Diese Gegenuebersetzung spiegelt sich sehr klar in dem
Unterschied zwischen Wissen und Glauben, und ganz besonders in
der Aufforderung zu glauben was seinem Wesen nach unwissbar ist,
oder was sogar dem vermeintlich gewuszten widerspricht.  Credo
quia absurdum est.

     Der sokratische Satz, scio me nescire, ich weisz, dasz ich
nichts weisz, ist eine ueberlegte Ablehnung gesellschaftlichen
Wissens.  Denn die Ablehnung hier ist die Weigerung in das Netz
gemeinschaftlichen wissens hineingezogen zu werden.

     Meine Ablehnung der Kirche ist die Ablehnung der Grenzen
welche das gemeinschaftliche Wissen dem Einzelnen aufzwingt.  Das
Glaubensbekenntnis ist die Zurueckfuehrung, die Reduktion des
Einzelwissens auf das Wissen der Gemeinde. Ich glaube was wir
glauben. Dies widerstrebt dem Streben nach eigenem
selbststaendigen unabhaengigen Wissen. Obgleich, in einem sehr
tiefen Sinne es kein Wissen gibt das nich gemeinschaftlich ist,
jedenfalls insofern als dies Wissen seinen Ausdruck in der
Sprache findet.  Meine Beziehung zu Gott ist also audrueckliche
Ablehnung des allgemeinen Wissens von ihm.


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