19990102.00
Es mag bezeichnend sein, dasz die Aufzeichnungen ueber
Ethik, welche ich gestern abend, als Neujahrs Beschlusz
niederschrieb, schon heute, am folgenden Tage nicht mehr
auffindbar, also verloren gegangen sind.
Herkoemmlichen Stils ist die Ethik die systematische
Betrachtung, bezw. Darstellung dessen wie man sich betragen soll.
Sobald man dies Thema rationalisiert, vernunftmaeszig darstellt,
wird es zur Dissertation ueber Werte. Man soll tun, - oder man
tut - was einem wertvoll erscheint, oder was das, was man fuer
wertvoll haelt, foerdert.
Die unmittelbare Frage, welche sich aus dieser
Begriffsetzung ergibt, ist ob es ueberhaupt Sinn hat, die
Handlung mit der Erwaegung ueber die Handlung gleich zu stellen;
inwiefern nicht die Handlung unmittelbar, dem das man ist,
entflieszt, indessen die Erwaegungen, hinterher, a posteriori
erscheinen, inwiefern es einen "freien Willen" gibt,
Und was waeren Werte? Sollten Werte sein, lediglich, was zu
einem Ziel erforderlich ist? Auswendige Mittel zu einem Zweck?
Oder sollten Werte die Kristallisierungen, die Niederschlage
(precipitates) unserer Leidenschaften, bezw. unser mit
Leidenschaft betonter Erwaegungen sein?
Als Mittel zum Zweck waeren Werte ein Aeszerliches. Als
Leidenschaftsgenegstaende ein Innerliches. Inwiefern ist Ethik,
dem woertlichen Ursprung getreu (nur) eine gesellschaftliche
Wertung? Inwiefern ist Ethik die Systematisierung (nur)
innerlicher, persoenlich, leidenschaftlich erlebter Wertungen?
Dementsprechend tun sich die verschieden(st)en Fragen der
Ethik auf. Was sind die oeffentlichen allgemeinen Werte, was
sind die inwendigen persoenlichen Werte, inwiefern heiligt der
Zeck das Mittel, inwiefern ersetzt der Wert des Mittels den
Zweck, e.g. bei zweckloser Kunst, wie verhaelt sich die Kunst zur
Ethik, ist das Verhaeltnis des Einzelnen zur Gesellschaft, des
Subjektiven zum Objektiven eine ethische Frage? Waere vielleicht
die Ethik das Studium der Beziehung des Einzelnen zur
Gesellschaft?
Tatsache ist, dasz wir auf keine (dieser) Frage(n) eine
beschlieszende Antwort haben, dasz unser Denken sich von Moment
zu Moment, von Schwerpunkt zu Schwerpunkt hinzieht, und dasz wir
uns mit steigender Betaetigung nichts als den Anschein eines
Wissenerfolges ergattern. Vielleicht ist es die ergiebigste
Methode da ich nich hoffen kann das Gebiet der Ethik in
vernuenftig ausfuehrlicher Weise darzustellen, mich damit zu
begnuegen bestimmte wesentliche Kernprobleme aufzuweisen, und
ihre Folgen (implications) darzustellen so gut ich kann.
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