19990312.01
Es gilt die begriffliche und gefuehlsmaeszige Ausstattung
der Religion als wesentliche Bestandteile des Bereichs
menschlichen Erlebens zu deuten. Dergleichen Deutung ist
keineswegs abschaetzig, weder gegen dessen himmlische
Vervollkommnung noch gegen menschliche Freude Fuehlen und Leiden.
Im Gegenteil, dergleichen Deutung scheint mir notwendig um jenen
beiden Sphaeren der Wirklichkeit gerecht zu werden. Behauptet ja
auch die christliche Glaubenslehre, dasz Christus "fuer mich"
gestorben sei, und dasz es hinfort meine Pflicht und mein
Verlangen ist, mich ihm "hinzugeben. Da ist Verschmelzung der
beiden Bereiche unverkennbar.
Die Polarisierung von Vernunft und Glaube beruht auf dem
Miszverstaendnis, dasz die Objektive Welt, die gemeinsame Welt
der Gegenstaende, wirklichkeitserschoepfend sei; und daher das
Ringen um die "Wirklichkeit" des dargestellten religioesen
Erlebens.
Die gemeinsame Welt der Gegenstaende, und der Begriffe
welche jene beschreiben ist offensichtlich _nicht_ die
vollstaendige Wirklichkeit, weil sie von dem, was der Einzelne
denkt und fuehlt, absieht; weil sie dies individuelle Erleben,
dem gemeinsamen Kennen, und, nebenbei bemerkt, dem gemeinsamen
Handeln aufopfert. Der Kriegssoldat ist treffendes Beispiel
dafuer.
Nehmen wir den Menschen hin wie er ist, wie wir sein
Menschsein an uns selbst erleben, und dies Menschsein in der
Geschichte widergespiegelt erkennen, dann wird die Religiositaet,
und die Vorstellungen die ihr anbehangen zum dessen
unverkennbarem Bestandteil. Das zu bemaengelnde liegt dabei
nicht in der Tatsache religioesen Erlebens, und auch nicht in der
Unzulaenglichkeit (insufficiency) welche religioeses Erleben als
komplementaer zum gegenstaendlichen erforderlich macht. Nein, zu
beklagen ist das unzulaengliche BVerstaendnis- und
Mitteilungsvermoegen, welche der gegenstaendlichen Wirklichkeit
einen uebermaeszig hohen Wert (Bedeutung) zusmiszt, und aerger
noch, welche das Wesen der Religion verkennt in dem es ihm die
Maske der Gegenstaendlichkeit aufzuzwingen versucht.
* * * * *
Zurueck : Back
Weiter : Next
Inhaltsverzeichnis : Table of Contents