19990326.01
Die Schwellenfrage aller Erkenntnistheorie ist: Welche
Erkenntnis? Was meine ich mit Erkenntnis.
Die gelaeufige Antwort auf diese Frage ist ein Hinweis auf
die Ertraege der sogenanten Wissenschaft(en), wobei vorausgesetzt
wird, dasz es, wie die Positivisten behaupteten, eine einzige
umfassende, praktisch abgeschlossene Wissenschaft gibt. Diese
Behauptung aber ist verfehlt. Bei gewissenhafterer Betrachtung
erscheint, dasz die Wissenschaft keineswegs abgeschlossen,
sondern dasz sie stets im werden ist, und nicht nur dies, sondern
dasz Um- und Abbau der Wissenschaften bestaendig sondern dasz
sich diese Wissenschaften n bestaendigem Auf- und Um- und Abbau
befinden, durchaus vergleichbar mit dem Stoffumsatz
(Metabolismus) von Pflanze und Tier; dasz dabei die Hypothese
einer begrenzt bestimmten (definierten) Wissenschaft eben nur
solche ist: Hypothese und Ideal, welche sich all unseren
Mutmaszungen es fest zu stellen, trotzig widersetzt.
Die Wissenschaft macht den inbegriffenen Anspruch unbedingt
gueltig zu sein. Aber auch dieser bleibt nur ein Anspruch, denn
wo sich die Wissenschaft wandelt, und waechst und schwindet, und
doch stets in jedem Moment vermeintlich vollendet, wie liesse
sich ein solcher Widerspruch loesen?
Mein Vorschlag: die Wissenschaft sogenannt als jenes
geordnete und disziplinierte Gewebe von Einzelerlebnissen zu
erkennen, dasz sie tatsaechlich ist, deren Wesen weder die
Wirklichkeit noch die Darstellung (Repraesentation) der
Wirklichkeit ist, sondern die Vermittelung (Kommunikation) des
Erlebten und des Erlebbaren. Es ist nicht ontische Wahrheit
sondern praktische Wirksamkeit welche die (Gueltigkeit der)
Wissenschaft bestaetigt.
Eine solche folgerichtige Erklaerung geschieht nur auf
Kosten jener unbedingten Gueltigkeit welche zur
Begriffsbestimmung der Wissenschaft zu gehoeren scheint. Ist
dieser Anspruch der Wissenschaft das unbedingt Gueltige zu
vertreten enttaeuscht, so gilt es einen neuen Anhaltspunkt fuer
mein Erlebnis des Gueltigen zu finden.
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