19990510.00
Wenn Aristoteles behauptet, das Gute sei das wonach alle
Handlungen streben, so darf man sich durch die Simplizitaet
dieses Satzes nicht verfuehren lassen. so ist dennoch diese
Aussage gerade in der Einfachheit, welche ihre Gueltigkeit zu
verbuergen scheint, taeuschend (verleitend).
Ist einmal auf die Moeglichkeit der Taeuschung hingewiesen,
so stellen sich etliche Ansatzpunkte ein, von welchen aus man sie
untersuchen moechte. Und diese Ansatzpunkte lassen sich in der
Betrachtung zusammen fassen, dasz dieser beruehmte Satz
vielleicht doch nichts als Redensart ist, eine wenig oder
nichtssagende Tautologie, mit welcher sich sogenannte Philosophen
jahrtauselang berauscht haben.
Vorerst die Frage, ob es nicht der Fall sein koennte, dasz
es nicht das Gute ist welche die Art der Handlungen bestimmt,
sondern dasz unsere Handlungen eben solche Eigenart haben welche
etwas, was wir das Gute nennen, wie eine virtuelle Wirklichkeit
erscheinen laeszt, welche dennoch nichts ist als der Abglanz,
oder der Schatten, anderweitig bestimmter Handlungen.
Darueber hinaus erscheinen dann die Fragen, was mit den
Audruecken "Handlungen," was mit "Streben" oder "Ziel" gemeint
sein sollte. (Die positivistische Sprachanalyse besitzt doch den
Vorteil, die Problematik, die Verschwommenheit, die Leerheit der
philosophischen Redereien (Faselns) an den Tag zu bringen,
offenbar zu machen.
Man vermoechte ueber dergleichen Ausdruecke endlose Analysen
und Erlaeuterungen anstellen, ohne doch zu irgendeinem Beschlusz
zu gelangen, das Feld mit unzaehligen Neuen Gedankenbildungen
bestreuen, ohne auch nur im Geringsten ueber die
Anfangsverlegenheit hinauszukommen, es sei denn durch die damit
bewirkte Ermuedung, welche die Fragen mit Enttaeuschung am
verfehlten Suchen, mit Verzweiflung, und zuletzt dann mit
Einschlaeferung beantwortet.
Man bemerke, neben der Auffassung, dasz die Handlung des
Einzelnen gut waere oder gut sein sollte, laeuft eine zweite
(related) verwandte Ansicht, dasz die Welt als gesammte gut ist
oder gut sein sollte, eine Forderung welche bekanntlich der
Theodizee zu Grunde liegt, eine Forderung zugleich welche das
Denken in endlose Schwierigkeiten verstrickt, wenn man sie
aufrecht erhaelt, und welche das Gefuehl in endlose
Schwierigkeiten verwickelt, wenn man sie fahren laeszt.
Eine wesentliche Beobachtung: dasz sich die Fragen der Ethik
historisch immer nur in Bezug auf unbedingte, absolute religioese
oder quasi-religioese Eingebungen in befriedigender Weise haben
loesen lassen; sonst mit der nietzscheschen Behauptung, das ganze
Moralisieren sei Taeuschung. Ethik und Religion stehen, und
fallen zusammen. Setzt man nun erklaerend hinzu, dasz religoese
Vorstellungen Spiegelbilder besonderer Art inwendigen Erlebens
sein muessen, so suggeriert sich (suggests itself) eine neue Bahn
eroeffnet sich ein neuer Weg (a new avenue) um der Erscheinung
des Guten nahe zu kommen, naemlich als inwendige subjektive
Zugabe zu dem anerkannten Vorbehalt dasz das Gute das Wirksame,
das Effektive ist. Hier muessen wir hinzusetzen: wirksam auf
unabsehbare Zeit, denn kurzfristig mag auch das Boese als wirksam
erscheinen. Unwirksam erscheint das Boese eben dann, wenn es als
ewig und universell konstatiert wird. Aehnliches, scheint es
mir, wollte Kant mit der Formel ausdruecken, jene Handlungen
seinen kategorisch verlangt (kategorisch befohlen, Imperativ)
welche als einem universellen Gesetz entsprechend konstatiert
werden koennen. Aber damit wird dieser vermeintliche Imperativ
sofort wieder aus den Angeln unserer Kompetenz gehoben; denn wer
sind wir, wer bin ich, um mir anzumassen das Ewige, Universelle
zu begreifen, oder zu ihm Zugang zu haben.
Die Frage stellt sich mir, ob jene andere Formel des
Kategorischen Imperatifs welches dem Handelnden den Menschen als
Zweck statt als Mittel vorschreibt: ob vielleicht die vermeinte
Mittelhaftigkeit des Menschen seine gegenstaendliche Existnz
bezeichnet, waehrend die beordnete Zweckhaftigkeit des Menschen
sein existentielles Dasein beabsichtigt. Darueber bin ich mir
noch nicht im Klaren.
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