19990514.00 Es scheint mir wuenschenswert eine Erklaerung fuer die Tatsachen dasz ich immer wieder den Ansatz mache das was ich denke und fuehle schriftlich zu beurkunden, und dasz ich dann das Geschriebene mit ironische, zweideutiger Gebaerde durch wirkungslose Veroeffentlichung einem imaginaeren eingebildeten Publikum uebergebe. Das Herkommen, die Provenance meiner Erfahrungen ueber die Veroeffentlichung ist zweifelsohne meiner unmittelbaren Erfahrung zu entnehmen; der Tatsache naemlich, dasz meine Sprachfaehigkeiten, dasz die Sprache welche in meinem Gefuehls- und Gedankenleben eine so ueberwaeltigende Bedeutung hat wenn auch urspruenglich die Stimmen der Eltern, seit Jahren schon sich fast ausschlieszlich an Geschriebenem und gedruckt Veroeffentlichtem entwickelt hat, und von diesem Erhalten wird; und dasz die Vorstellungen, die geistige Taetigkeit, das Sinnen und Trachten welches mein taegliches Leben ausfuellt, nur als Spiegelbild ueberlieferter Literatur gedeutet werden kann, wenngleich, zugegeben, admitted, dasz deren Botschaft (message) durch mein eigenes Gemuet oft eingeschraenkt, und manchmal erweitert (expanded) ist. Kein Wunder dann, dasz ich, nicht unaehnlich den Kindern welche die Erwachsenen nachahmen, selbst Anpsrueche zu schreiben hege, dasz ich meine mich mit den Helden, welche mich aus den Tapeten der Geistesgeschichte ansprechen, unterhalten, wenn nicht gar messen zu muessen. Und wenn sie auch stumm auf meine Muehen herab blicken, without deigning, ohne mir eine Antwort zukommen zu lassen, so haben die ueber Jahre sich hinziehende Ansprueche es ihnen gleich zu machen in meinem eigenen Leben Spuren hinterlassen, meinem eigenen Leben ein Gepraege gegeben, das sich nunmehr weder verwischen noch ausmerzenm liesze, selbst wenn dies wuenschenswert erschiene. Ich habe mich daran gewoehnt zu schreiben; (schriftstellern); seit Jahren habe ich mich in die Rolle des Schreibenden eingeuebt, bis sie mir heute als natuerlich und selbstverstaendlich vorkommt. Diese Anspruech meinerseits verleiten leicht zu Miszverstaendnissen welche jedoch, jedenfalls meinem Verstaendnis entsprechend, leicht behoben werden koennen. Das erste dieser Miszverstaendnisse betrifft den inbegriffenen Anspruch auf Qualitaet, auf Erstklassigkeit, welcher darin laege sich als oeffentlicher Schriftsteller hervorzutun. Ich weise darauf hin, dies unterlassen zu haben, nicht um Zweifel an der moeglichen Vortrefflichkeit meiner Bemuehungen auszudruecken, sondern um zu betonen, dasz eine moegliche stilistische oder inhaltliche Vortrefflichkeit meinem Unternehmen belanglos ist. Das ist der Grund weswegen ich mich nie als Schriftsteller, sondern immer nur als Schreibenden bezeichne. Erklaerung fuer diese meine Bescheidenheit ist in den Tatsachen zu finden, erstens, dasz die Erstklassigkeit ein im Grunde gesellschaftlicher Begriff ist, welche der eine Schriftsteller sich nur im Vergleich mit anderen erwirbt; indessen meine Muehe eine ausgesprochen Einsame ist, eine unter- oder uebergesellschaftliche, welche deswegen jeglichen Vergleichs mit anderem enthoben ist. Es ist in diesem Zusammenhang tunlich (angemassen,relevant) zu bemerken dasz das Sobriquet, Attribut, dasz die Bezeichnung Vorterfflichkeit auch auf die beruehmtesten der ueberlieferten Werke in nur beschraenktem Masze anwendbar ist; denn obgleich manche Werke, ich denke dabei zum Beispiel an Goethes Faust der and Shakespeares King Lear im Inhalt sowohl als auch im Stil ueber fast alles andere hinwegragen, was man ihnen zur Steile stellen moechte, so ist bei der Meistzahl der ueberlieferten Schriften keine vergleichbare Vortrefflichkeit ersichtbar, und man musz sich mit der Einsicht abfinden, dasz wir mit jenen nur durch die Zufaelle gesellschaftlicher, als geistig- politischer Umstaende beschenkt wurden. Zweitens ist hier zu bemerken, dasz die unvermeidlich amerikanisierte zeitgenoessische deutsche Sprache, und demzufolge auch die unvermeidlich amerikanisierte zeitgenoessische deutsche Literatur, auf ein so erbaermliches aesthetisches und intellektuelles Niveau gesunken sind, dasz Betrachtungen ueber die Vortrefflichkeit der Sprache und die Qualitaet des Geschriebenen ueberfluessig erscheinen. Ich schreibe also nicht des Ruhmes halber. Ich weisz nicht wie ich ihn empfangen wuerde, falls er mir zustoesze; doch duenkt mich dasz Ruhm, in der Einsamkeit in welche ich mich ein Leben lang eingeuebt habe, an welche ich mich ein Leben lang gewoehnt habe, aufruehrerisch und stoerend wirken wuerde. Auch liegt mir laengst nicht mehr daran eine Professur auf diesem oder jenem humanistischen Gebiet zu ergattern. Ich gebe zu, dasz vor fuenfzig Jahren derartige Bestallung mein Leben wuerde veraendert haben, ob zu meinem Vorteil oder Nachteil ist jetzt zu entscheiden belanglos. Des Geldes halber schreibe ich auch nicht, ich besitze dessen genug um mein Leben ohne Sorgen fristen zu koennen, obgleich es in meiner Natur liegt ein Noch etwas mehr davon nicht abzulehnen. Zur moeglichen Veroeffentlichung meiner Schreibereien also habe ich keinen offensichtlichen Beweggrund, es sei den jenes urspruengliche gesellschaftliche Eigenschaft der Sprache, dasz sie ihrenm Wesen nach mitteilung ist, dasz wir sprechen um gehoert zu werden; dasz wir schreiben um verstanden zu sein. Dieser naturgegebenen Neigung gehoert zu werden und Verstaendnis zu erheischen soll nun die Veroeffentlichung im Internet nachkommen. will ich nun, mittels der Veroeffentlichung im Internet den ihr gebuehrenden Zoll entrichten. Nicht ohne die Ironie dieses Vorgehens zu gewahren. Denn wenn dergleichen Veroeffentlichung auch praktisch kostenlos ist, so erwarte ich auch, dasz sie bar aller Reklame, welche zu veranstalten ich nicht beabsichtige, solche Veroeffentlichung voellig wirkungslos sein wird, und dasz die literarischen Bemuehungen denen ich einen wesentlichen Teil meines Lebens gewidmet habe so gut wie ungelesen und unbeachtet bleiben werden. Darueber zu klagen bin ich keineswegs gesonnen. Im Gegenteil, mich duenkt die Hinnahme (acceptance) der Anonymitaet, der Vergessenheit, der Sterblichkeit im Gesellschaftlichen nicht weniger als im Koerperlichen, die Uraufgabe der Ethik, dasz das Lernen zu Sterben, die Vergegenwaertigung der Begrenztheit des Lebens die grosze moralische Aufgabe ist, welche der Mensch zu bewaeltigen hat. Diese Betrachtung wirft aber ein verwirrendes, beunruhigendes Licht auf die christliche Lehre von Auferstehung und ewigem Leben. Man mag, wenn man es fuer noetig haelt, die christliche Unsterblichkeitslehre mit der Sterbensbereitschaft in Einklang bringen, indem man diese Bereitschaft als Entsagun nur des irdischen Lebens deutet. Dann waere das Versprechen auf ein himmlisches, ewiges Leben Mittel um den Verlust des vergaenglichen irdischen zu verschmerzen. Die Kindlein deren das Himmelreich ist, werden es verstehen. * * * * *

Zurueck : Back

Weiter : Next

Inhaltsverzeichnis : Table of Contents