19990512.04 Die dazugehoerige (ancillary) Frage, ob es sinnvoll ist, die Tagebuch als ein philosophisches anzubieten, scheint mir wesentlich schwieriger zu sein. Ein Zweck der Ueberschrift ist ja dem moeglichen kuenftigen leser eine Andeutung zu bieten, was er zu erwarten hat, worauf es ist, dasz er sich einlaeszt: so dasz der Titel welcher dem Werk zum Eingangstor dient, dem Eintretenden ein gewisses Masz Aufklaerung schuldig ist, ueber das, was er zu erwarten hat. Ich habe es von jeher empfunden, dasz das Geschriebene, ein Brief, zum Beispiel, den groszen Vorteil hat, das sein Empfaenger durch nichts gewzwungen ist den Brief aufzubrechen und ihn zu lesen, oder wenn er zu lesen begonnen hat, damit fortfahren und ihn zu Ende lesen. Und dies ist denn auch im groszen und ganzen der Fall. Genauer betrachtet, jedoch, hat sogar das Lesen gewisse Kosten fuer den Lesenden: nicht nur das vermutlich geringe Masz an Zeit und Kraft das er darauf verwendet, sondern vor allem das Vertrauen, das er dem Lesestoff schenkt, in der Erwartung von ihm belehrt oder erbaut zu werden. Da wirkt denn auch der Lesestoff im Geistigen wie eine Falle. Man befindet sich nicht selten in ihm gefangen. Man wird gelangweilt, oder man versteht nicht was man liest,, oder man ist gar angewidert oder vor den Kopf gestoszen, beleidigt oder gar beschimpft; und man vermag dochs das Buch nicht zur Seite zu legen ohne ein inbegriffenes Zugestaendnis des Versagens. Eine solche Verlegenheit sollte der Titel eines Buches nach Moeglichkeit den Lesern ersparen. Ob aber dies in gegebenem Falle moeglich ist, weisz ich nicht. WEie sollte ich im Voraus ankuendigen, was mir selbst erst Stunde um Stunde, Tag fuer TAg zu Bewusztsein gekommen ist. Der herkoemmlich Audruck dafuer ist "Philosophie", mit dem Vorwand dasz dies sich auf Wahrheit und Wissen seiner selbst wegen bezoege. Aber das Wort Philosophie ist zu schwer belastet mit ueberlieferten Miszverstaendnissen. Ist mir auch viel zu anspruchsvoll, als dasz ich mich seiner bedienen moechte. * * * * *

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