19990520.00 In Konnarock, am Morgen, etwa um 6 Uhr dreiszig, bei Sonnenaufgang, vor unserer Rueckreise. Es ist natuerlich wahr dasz ich mit meiner Betonung der subjectiven Eigenschaft alles ethischen und aesthetischen Erlebens, eine wesentliche Feststellung getroffen habe. (Wie original sie ist, wage ich nicht zu beurteilen.) Zugleich ist es aber auch wahr, dasz diese entscheidende Subjektivierung des ethischen und aesthetischen Erlebens die Gesellschaftsgrundlage (the social matrix) dieses Erlebens verkennt, verkennen musz, das liegt im Wesen des Denkens, und mit diesem Verkennen eine neue Gruppe von Problemen schaft (creates a new set of problems) welche moeglicherweise, ich weisz es nicht, unmoeglicher zu behandeln sind, - will be more difficult to treat , to deal with) denn dcie von dieser Denkwendung vermeintlich erlaeuterten, wenngleich auch nicht geloesten Probleme (Aufgaben). Vielleicht ist es doch wertvoll, die Vergesellschaftung des Menschen, seine Abhaengigkeit von der gesellschaft, derart ins Rampenlicht zu schieben. Dadurch moechte manches bisher Unerkannte deutlicher werden. Zum ersten sei betont welch hohe Bedeutung die herkoemmliche Religion in der Vergesellschaftung spielt, in der Beziehung des Einzelnen zur Gesellschaft. Ja, es moechte ausgerechnet die Unfaehigkeit, Inkapazitaet der herkoemmlichen Religion diese Beziehung klar und wirksam auszufuehren sein, welche die Ablehnung der Religion verursachte, dies im oeffentlichen Leben, in der Trennung von Staat und Kirche, nicht weniger als im privaten Leben, in den "Reformationen der Kirche, - Jesaja, Christus, Luther, Kierkegaard, - die so charakteristisch fuer die Entwicklung der modernen Religion sind. Zum zweiten musz festgestellt sein, dasz mit dieser Einsicht, dasz mein Denken einen Kreis durchlaufen hat, und bei jeder Ausuebung durchlaeuft, dies Denken gewissermaszen zu einem Abschlusz, wenngleich vielleicht auch nur zu einem vorlaeufigen solchen gebracht wird. Das bedeutet, dasz irgend Entdeckungen welche von mir gemacht sein moegen, zu einem Resultat gefuehrt haben: und dies Resultat ist ein Denkkreis. Es ist moeglich dasz dieser Kreis ein sehr enger und deshalb voellig wertlos ist. Moeglich aber ist auch, dasz dieser Kreis geeignet ist, das Denken ueber neue, bisher ungeahnte Geistesgefilde zu leiten, und dasz es deshalb eine Reise von hohem Wert darstellt. Diese Entscheidung vermag ich jetzt jedenfalls noch nicht uebersehen. Meine praeliminare, sehr vorlaeufige Vermutung wuerde sein, dasz die Abtrennung, die Auftrennung von Ich und Gesellschaft, die Losloesung des Ichs von der Gesellschaft, die Anerkennung der Gebundenheit des Ichs an die Gesellschaft einerseits, und die Unertraeglichkeit dieser Gebundenheit andererseits; dasz ueberhaupt meine Begriffsetzung des Objektiven als des Gesellschaftlich annehmbaren und erlebten, dasz diese Einsichten auf dem Gebiete des Denkens (der Philosophie) einen erbaulichen, konstruktiven Einflusz auf das Innenleben des Menschen haben erden, vergleichbar mit der salutaeren (salutary) Folge welche die Trennung von Gesellschaft (Staat) und Kirche fuer das Gesellschaftsleben des Menschen hat. Dasz es ein Kreislauf ist, eine Methode des Denkens und nicht eine dogmatische Lehre welche wiederholt und geglaubt zu werden beansprucht, dasz ist ein Ergebnis welches mit meiner Vorstellung von Denken und Philosophieren, von Wissen und Mitteilung, durchaus in Einklang (consistent) ist. Die Fortfuehrung, die weitere Ausarbeitung dieser geschlossenen Gedankenkette, wird sich, wenn ueberhaupt, von selbst bewaehren. * * * * *

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