19990612.00
Dasz die Bibel als das "Wort Gottes" anerkannt wird, darf
nicht besagen, dasz sie nicht zugleich das menschliche Suchen
nach Gott offenbart; darf nicht verdecken, dasz dies menschliche
Suchen nach dem Unerkennbaren (Gotte) das einzig wesentliche und
wahre religioese Erlebnis ist, dessen der Mensch faehig ist. Die
Bibel ist alles andere als die reine ungetruebte (unadulterated)
Offenbarung des Goettlichen: sie ist eine Chronik der
menschlichen Suche (the account of man's search) nach dem
Goettlichen; und unter anderen moeglichen Chroniken die
bedeutendste, nicht weil sie an sich wahrhaftiger ist, sondern
weil sie sich im Laufe der Jahrtausende in unserer
geschichtlichen Ueberlieferung eine so hervorragende Stellung
erworben hat. Dieses Gottsuchenmuessen gehoert zu der Natur,
gehoert zum Wesen des Menschen. Ich musz annehmen und
voraussetzen, dasz die Suche nach dem Goettlichen die ernsteste
und bedeutendste Betaetigung nicht nur aller Juden und aller
Christen ist, sondern die ernsteste und bedeutendste Betaetigung
aller Menschen ueberhaupt; dasz diese Suche in mannigfaltiger
Gestalt erscheint, als seelische Pilgerschaft, in jeder ernsten
Kunst, wie etwa z.B. in dem romantischen: "Wo gehn wir den hin,
immer nach Hause." In diesem Sinne vermag alle ernste Literatur,
wie ich schon bemerkte, als Gottsuchen verstanden werden. Die
Anbetung der Bibel hingegen macht die Bibel selbst zum Goetzen.
Die Anbetung der Bibel als ein heiliger Gegenstand erscheint als
Abgoetterei. (The worship of the Bible as a sacred object makes
of the Bible itself an idol, and its interpretation as divine
oracle appears idolatrous. To assert the unqualified Truth of
the Bible, to assert that the Bible is literal Truth, is
tantamount to claiming that one possesses that truth as an
objective entity, (als (objektiver) Gegenstand), a presumption
quite incompatible with the search for God; since one cannot
honestly search for that which one has already found.
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