19990617.00
Mir scheint man sollte sich des Ausdrucks, Glaube, faith,
fides, pistis mit viel Um und Vorsicht bedienen. Schon die
Tatsache, dasz faith zugleich Treue und Glauben bedeutet ist
bezeichnend. Wenn man die Geistesgeschichte ueberdenkt, sieht man
wie verschieden die Bedeutungen sind, welche diesem Ausdruck im
Laufe der Jahre angehangen haben. Schon ganz am Anfang, in der
Urzeit des Glaubens, im Spiegel von Abrahams Schicksal, hat
Glaube verschieden nuancierte Bedeutungen: denn der Glaube, das
Vertrauen, dasz ihn zum Wanderer machte, musz unterschieden
werden von jenem Glauben an die zahlreiche Nachkommenschaft, die
ihm und seinem Weibe in schon hohem Alter versprochen worden war;
und wiederum unterschieden von jenem Glauben der ihn zum Berge
Moriah trieb, um dort seinen Sohn zu opfern.
Im Neuen Testament erscheint Glaube als des Glaeubigen
Ueberzeugung dasz Jesus der Christus, der Messias, der Gottessohn
war; denn es geht unmittelbar aus dem Bibeltext hervor, dasz
Jesus einer unter vielen Propheten war, deren etliche, wie er
selbst bezichtigte, falsche Propheten waren; dasz aber er als der
wahre, als der Gottes Sohn und Heiland in die Welt gekommen war.
Diese Erkenntnis sollte denen die gleichzeitig mit ihm lebten das
Mittel der Seligkeit, der Erloesung sein.
Es war unvermeidlich, dasz sich dieser Urglaube der
Gleichzeitigen an Jesus als den Erloeser nach seinem Tode, nach
seiner Auferstehung und Himmelfahrt verwandeln muszt. Es war
nunmehr der Glaube an vergangenes Geschehen der selig machen
sollte, ein historischer Glaube, der Glaube also an eine
Geschichte. Somit wurde der Glaube vom Bekenntnis zu einem
Zeitgenossen, zum Bekenntis zu einem Komplex vergangener
Geschehnisse, eine Wandlung welche wie mir scheint sehr grosze,
weitreichende Folgen hat. In dieser Wandlung unterscheiden sich
die christlichen von den juedischen Bekenntnissen, denn der
Jehovah der Hebraeer besteht in einer unwandelbaren Gegenwart an
welcher der Mensch gewordene Christus nicht teilhaben kann.
Die christliche Religion wird nunmehr das Bekenntis zu einem
historischen Geschehen, im nizaenischen Glaubensbekenntnis
eindeutig zum Ausdruck gebracht. Das historische Geschehen soll
(mittels des Glaubens) der Zeit enthoben werden, soll
ueberzeitlich, soll verewigt werden. Das ist die literarische
Bedeutung des Glaubensbekenntisses. Es ist aber unvermeidlich,
dasz das Bekenntnis zu einem historischen Geschehen die
Vergegenstaendlichung von Begriffen erfordert. Waehrend das
Erleben eines gegenwaertigen Geschehens ein rein subjektives
bleiben kann; in reiner Subjektivitaet seine Wurzeln hat, und in
dieser verbleiben kann, so ist das Erleben, die Bewertung
(Appreciation) eines Vergangenen, eines historischen und nicht
persoenlich Erlebten unvermeidlicher Weise von gegenstaendlichen
(objektiven) Begriffen abhaengig, welche im Rahmen der Religion
angebetet, geheiligt werden muessen; welche damit die
Eigenschaften des Abgoettischen annehmen. Das ist der Eindruck
welcher das nizaenische Glaubensbekenntnis bei mir hinterlaeszt.
Ich glaube nicht, dasz Luther diese Umstaende erkannt hat.
* * * * *
Zurueck : Back
Weiter : Next
Inhaltsverzeichnis : Table of Contents