20000112.00 Dank fuer Ihre E-Mail. Ich bitte um Entschuldigung fuer die Verzoegerung meiner Antwort. Aber vielleicht ist es nicht die Verzoegerung sondern die Antwort welche der Entschuldigung bedarf. Sicherlich waren meine Ausfuehrungen ueber das Verhalten vom Glauben zur Willensfreiheit und zur Erkenntnis ungenuegend, dasz ich mich verstaendlich gemacht haette. Nach dem Empfang ihres Schreibens habe ich die von Luther gegen Erasmus gerichtete Kampfschrift von der Unfreiheit des Willens ein weiteres Mal ueberblaettert. Mir faellt auf, wie undeutlich und eigentlich widerspruchsvoll Luthers Ausfuehrungen ueber dies Thema sind, wie sehr Luther sich ueber den Gleichmut und die Weltlichkeit (urbanity) des Gegners aergerte, ueber dessen Mangel an Leidenschaft; und dasz ihm deshalb viel mehr an einem scharfen Angriff auf Erasmus' Person gelegen war, als an der sorgfaeltigen Kritik der schwierigen Frage der Willensfreiheit. Ich befuerchte aber, dasz ich Sie vielleicht mit meinen Erwaegungen belaestigt habe und belaestige, in welchem Falle Sie mir wahrhaftig keine Antwort schuldig sind. Mich beschaeftigt seinerzeit die Unterscheidung zwischen Glauben und Wissen welche in unserer Geisteswelt gelaeufig ist; wobei ich nich der Vermutung nicht entwinden kann, dasz man die Zweitrangigkeit des Glaubens gegenueber dem Wissen welche im praktischen Denken immer wieder zum Ausdruck kommt, auch auf die Gebiete des Religioesen uebertraegt. Denn im taeglichen Leben ist die Gewiszheit des Wissen weit groeszer als die Gewiszheit des Glaubens. Wenn einer sagt, "Ich glaube, dasz heute der 12. Januar ist," so miszt man dieser Aussage eine weit geringere Bedeutung zu als wenn er sagte, "Ich weisz, dasz heute der 12 Januar ist." Sollte es in religioesen Sachen anders sein? Wenn Hiob sagt, "Ich weisz dasz mein Erloeser lebt," ist seine Aussage nicht bestimmter, nicht ueberzeugender, als wenn er sagte, "Ich glaube, dasz meine Erloeser lebt." ? Wenn nun unsereiner bekennt, "Ich glaube, dasz Jesus am dritten Tage auferstanden ist," ist dieses Bekenntnis nicht ein geringeres, ein schwaecheres, als wenn er behauptete, "Ich weisz, dasz Jesus am dritten Tage auferstanden ist." Und beschraenkt er sich auf das schwaechere Bekenntnis des Glaubens gegenueber dem Wissen, nicht doch, weil er des Auszergwoehnlichen, des Uebernatuerlichen des Geglaubten nicht ganz so sicher ist, als wenn er es "wueszte?" Es war um den Glauben dem Wissen ebenbuertig zu machen, um den Glauben mit dem Wissen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen (to find a common denominator of faith and knowledge), dasz ich die sinnvolle Gleichsetzung der Griechen von Tugend und Erkenntnis erwaehnte. Es ist meine Ueberzeugung, dasz der wahre Glaube vom Wissen ununterscheidbar ist, und dasz der "Glaube" an Gott welcher das Wissen um ihn leugnet die vollendetste Laesterung ist. * * * * *

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