20000513.00
Die Gegenueberstellung von aesthetischem und ethischem
Werten, wie Kierkegaard sie in Enten Eller vorschlaegt, erinnert
(is reminiscent, suggestive) an das entgegengesetzte
Zusammenfallen (the opposite coincidence) des Schoenen und Guten
(kalon k'agathon) bei Platon und bezeichnet die Entfernung der
romantischen Vorstellungswelt von der klassischen.
Aus anderer Perspektive, dem Ursprung der Ausdruecke
entsprechend, erscheint das Aesthetische als das unvermeidlicher
Weise nur vom Einzelnen, vom Individuum Erlebte, indessen das
Ethische die Sittsamkeiten und Gepflogenheiten einer Gesellschaft
bedeutet. Wird die Ehe als ethische Gegenheuit begruendet, so
wird damit auf ihren gesellschaftlichen Ursprung und Bedeutung
hingewisen, und B's, bezw Kierkegaards Bestreben die aesthetische
Gueltigkeit der Ehe aufzuweisen waere ein Versuch der
Ueberbrueckung vom Romantischen zum Klassischen ein Versuch das
Individuelle ins Gesellschaftliche zu uebertragen.
Das erotische Erleben ist (indisputably) ein unstrittig
persoenliches, individuelles. In der Ehe scheint die erotische
Beziehung in eine quasi oeffentliche, in eine gesellschaftliche
verwandelt zu werden. Kierkegaards Betrachtungen laufen auf die
Frage hinaus, wie diese Verwandlung vor sich geht, welcher Art
die eheliche Beziehung ist; denn dasz sie etwas anderes, sei es
tieferes, sei es seichteres, als die erotische Beziehung ist,
liegt auf der Hand. Sollte man die Behauptung der aesthetischen
Gueltigkeit der Ehe als Behauptung der erotischen Gueltigkeit der
Ehe deuten? Man darf nicht vergessen, dasz bei aller
feinfuehligen Antizipation, Kierkegaards Erwaegungen ueber die
Ehe seiner Einbildungskraft (Phantasie), unmoeglich aber seiner
Erfahrung entspringen.
Nicht nur Kierkegaards Betrachtungen, auch Kants Ethik,
Kants Pflichtbegriff und seine Lehren vom kategorischen
Imperativ, vermitteln zwischen dem Individuellen und dem
Gesellschaftlichen, ungeachtet, dasz Kant diese Vermittlung
gaenzlich uebersieht.
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Das Ideal, das Vorbild, die Vorstellung meiner Kindheit und
Jugend, dasz sich das Geistesleben, das Leben, das Wirken des
Geistes am Gluecklichsten in einer Professur vervollkommnen
liesze, war eben dies, ein Traum der Kindheit auf
Miszverstaendnis gegruendet, ein fast verzweifelnder Versuch aus
dem Banne der Innerlichkeit in eine Auswendigkeit durchzubrechen;
ein Versuch mit dem ich damals zu scheitern meinte. Jetzt aber
sehe ich ein, dasz die Heftigkeit und Bangigkeit meiner Gefuehle
mit dem Erfolg eines solchen Durchbruchs nicht haette vereinbart
werden koennen.
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