20000620.00 In seinem Werk ueber die Philosophie der Symbolischen Formen erscheint Ernst Cassirer als wahrer Erbe Kants; denn er beabsichtigt die kantsche Vernunftkritik fort und auszufuehren. Der grundliegende Widerspruch bei Kant ist dasz er das Ding an Sich als jenseits unseres Erkenntnisvermoegens statuiert aber dies Erkenntnisvermoegen mittels eines verwickelten und kaum durchsichtigen Schemas (Gebaeude) aus Verstand, Vernunft und Anschauung, aus Antinomieen und Imperativen aufgezogen ist. (beschrieben wird). Da draengt sich die Frage auf, welche Gueltigkeit besitzen Vernunft, Verstand und Anschauung, sind Vernunft, Verstand und Anschauung etwa nicht Dinge an sich? Da draengen sich die Fragen auf, gibt es Vernunft, Verstand, oder auch Anschauung an Sich? Und von welchem Belang waere dann die Darstellung einer Vernunft welche vorausgesetzt noch auf niedriger und vermutlich unzulaenglicher Erkenntnisstufe sich befaende? Dasselbe gilt fuer das gesamte andere Instrumentar welches sich Kant erfuenden - oder entdeckt hat. Und wenn sie es nicht sind, sind sie insofern nicht unwirklich, und insofern sie unwirklich sind, sind sie nicht unbedeutend, belanglos? In die selbe Stufe von Wirklichkeit stellt nun Cassirer die Ergebnisse seiner ausgiebigen und dabei sehr eindrucksvollen historischen Beschreibungen der Sprachforschung. Sollte etwa die Sprache in kantischem Sinne keine "Ding" sein? Und wenn die Sprache ein Ding, ein Gegenstand ist, warum sollte es nicht, wenn wir Kants Schema ernst nehmen, eine Sprache an Sich, und weiter hinaus, in Bezug auf den zweiten und dritten Teil des Werks, eine Mythologie, eine Wissenschaft an sich geben? Anders ausgedrueckt, die Trennung der Gegenstaende Cassirerscher - und aller anderen Rationalisierungen von der Wirklichkeit und Gueltigkeit des Ansich besagt eine zweitklassige Wirklichkeit; ist m.a.W. Vermutlich besitzt der kantsche Erkenntnisapparat Gueltigkeit auf eben derselben Stufe wie etwa (andere) Natur oder auch Geisteswissenschaften, saemtlich diesseits des wirklichen Seins, und demgemaesz saemtlich mit der Hinfaelligkeit des Scheinbaren behaftet. Nun liegt in diesem Verhaeltnis ein nicht zu bewaeltigender Widerspruch. Es ergeben sich naemlich aus (in) dieser Lage zwei Moeglichkeiten: entweder der Erkenntnisapparat ist unbedingt gueltig, in welchem Falle der Widerspruch darin liegt, dasz die Erkenntnisapparatur prinzipiell qualitativ von allem anderen menschlichen Wissen unterschieden sein sollte, insofern als das restliche Wissen ein Herumtappen im Dunklen diesseits der Wirklichkeit des Dinges an Sich verstanden sein musz, der Erkenntnisapparat aber aus unbestimmten undurchsichtigen Gruenden die Kluft zwischen dem Phaenomenon und dem Noumenon doch zu ueberbruecken geeignet waere und somit an der Wirklichkeit des Ansich beteiligt waere. Der andere Zweig der Moeglichkeiten ist, dasz der kantsche Erkenntisapparat nicht weniger verdaechtig waere nicht weniger hinfaellig, als unser restliches Wissen, in welchem Falle er wenig mehr zu bedeuten haette als ein aufwendiges, umstaendliches, pretentioeses, und vielleicht nicht voellig aufrichtiges Zugestaendnis der sokratischen Absage vom Wissen. Ich weiss, dass ich nichts weiss. Was also? Der kantsche Versuch, der Naturwissenschaft eine feste Grundlage zu verschaffen scheitert, mit der Folge dasz der aufwendige Geistesapparat dieses Versuches ebenso fragwuerdig wird, wie das, was er zu befestigen suchte. Und die cassierersche Philosophie der symbolischen Formen scheitert mit ihm; die Geistesgeschichte welche von Cassirer als Schluessel zu den Krypten der Wissenschaft geboten wird. All unser Wissen verbleibt im Limbo der Unbestimmtheit, insofern als wir uns zwar des Bewusztseins seiner Unzuverlaessigkeit nicht entwinden koennen, trotzdem aber auf dies Wissen angewiesen sind, indem es und den Stoff unseres geistigen Daseins bietet, und uns zu unserer Lebensfaehigkeit unerlaeszlich ist. Ich erkenne keinen Grund, weshalb wir nicht fortfahren sollten in dieser Unbestimmtheit zu denken, zu arbeiten und zu gedeihen; Die idealisierte moegliche Vollkommenheit unseres Wissens ist nicht weniger phantastisch als die hypostasierte (unterstellte) moegliche Vollkommenheit unserer anderen geistigen oder koerperlichen Faehigkeiten, des Gedaechtnisses oder der Sehschaerfe zum Beispiel. All unser Wissen, unser gesamtes Leben, bewegt im Schatten der Unvollkommenheit. Die Verstaerkung, die Aufklaerung, ist immer nur verhaeltnismaeszig; und es ist mittels der verhaeltnismaeszigen geistigen und koerperlichen Fortschritte, dasz wir gedeihen. Eine begrenzende Eigenschaft der bisherigen Erkenntnistheorie so wie ich sie verstehe, ist die Beschraenkung des Wissens, und dessen bezugnahme lediglich auf den Einzelnen, wahrend die Sprache, das Wissen, die gesamte geistige Taetigkeit von dem Zusammenwirken der Menschen bewirkt wird. Das Zusammenwirken der Menschen aber ist unuebersichtlich und unbestimmt. Waehrend ich von meinem eigenen Wesen und Wirken einen Begriff zu machen vermag, ist mir der gesellschaftliche Einflusz auf mein Denken nur mittelbar und sehr fragmentarisch erkenntlich; und dies in einem solchen Masze dasz ich nur sehr geringes darueber auszusagen vermag. * * * * *

Zurueck : Back

Weiter : Next

Index 2000

Website Index

Copyright 2005, Ernst Jochen Meyer