20000621.00
Der prototypische Erkenntnisvorgang an welchem die
Erkenntnismechanik dargestellt wird, ist eines unbenannten
Gegenstandes sinnliche Wahrnehmung und geistige Verarbeitung.
Dieser Vorgang ist in solchem Masze theoretisch dass sich weder
der Gegenstand, noch dessen Wahrnehmung, noch die Vergeistigung
des Wahrgenommenen bestimmen laeszt, mit der Folge, dasz dieser
prototypische Erkenntnisvorgang die Erkenntnis zu erklaeren
unzulaenglich ist.
Stat ueber die Wahrnehmung eines unbestimmten Gegenstandes,
der unbestimmt bleibt, weil jeder Anlauf zu einer Bestimmung das
Beispiel unbrauchbar macht, scheint es mir ergiebiger die
Aufmerksamkeit auf ein einziges geschriebenes Wort zu lenken, wie
etwa auf das Wort "Aufmerksamkeit" wie ich es in diesem Satze
steht, und darueber nachzusinnen, worin eines beliebigen Lesers
Verstaendnis von diesem Worte "Aufmerksamkeit" besteht.
Das Wahrnehmen, das Lesen des Wortes "Aufmerksamkeit" loest
eine grosze Zahl moeglicher (potentieller) Assoziationen
(Gedankenverbindungen) aus, deren eine, oder eine geringe Zahl
sich dem Bewusztsein vorstellen. Diese Assoziationen sind
erlernt und zu einem wohlbekannten Ausdruck gehoeren ihrer eine
sehr grosze Zahl. Jedoch ausgerechnet (genau) welche
Assoziationen es sein werden, die ich ins Bewusztsein draengen
ist jeweils unvoraussagbar, und ihr Auftritt bezeugt eine
charakteristische Spontaneitaet des Bewusztseins.
Nimmt aber ein der deutschen Sprache nicht kundiger Leser,
das Wort "Aufmerksamkeit" wahr, denn davon dasz er es zu lesen
vermoechte, kann nicht die Rede sein, so gebe (stellen) sich ihm,
weil er das Wort nicht kennt, keine Gedankenverbindungen. Kennen
tut er nur die einzelnen Buchstaben. Ein Wort, eine Sprache zu
erlernen, bedeutet demgemaesz eine (betraechtliche) Anzahl von
Assoziationen zu bilden welche dem beliebigen Audruck, wann immer
man ihn wahrnimmt, mittels der Assoziationen die gehoerige
Bedeutung, den angemessenen Sinn beifuegt.
Es ist gelaeufig diesen Assoziationen eine physikalische
Grundlage zuzuschreiben. Besonders in Betracht unserer
Kenntnisse der Mikroanatomie des Gehirns, mit seinen Millionen
und Abermillionen Nervenfasern und deren Verzweigungen; und der
bisher unbewiesenen Vermutung, dasz die (geistige) Einuebung
tatsaechlich anatomisch strukturelle Veraenderungen dieser
Verzweigungen bewirkt. Es ist denkbar, dass man eines Tages
elektronische Stromkreise entwerfen wird, welche bestimmte
Hirnfunktionen imitieren (nachmachen, nachbilden, nachahmen). In
Bezug auf das Rechnen hat man derartige Nachbildungen auch bevor
der Erfindung des electronischen Rechners, rein mechanisch
zustande gebracht.
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Das zusammenhaengende Weltbild welches dem taeglichen Leben
zugrunde liegt ist das selbe welches auch philosophischen
Untersuchungen zugrunde liegen muss. Es herrscht (besteht,
waltet) unterschiedlich gewiss, aber doch aehnlich in den
Gemuetern aller erwachsenen, reifen Mitgliedern einer gegebenen
Gesellschaft. Es ist immer nur jeweils einem Einzelnen in seiner
(inwendigen) Vorstellung bewuszt; wird durch seine Handlungen und
(woertliche) Ausfuehrungen deutlich (explicit); wird dann
manchmal unter heftigem Streit mit den Weltbildern anderer
Menschen ausgeglichen, denn unterschiedliche Weltbilder sind dem
Einzelnen - und der Gesellschaft unertraeglich.
Man versucht dieses gemeinsame Weltbild in Enzyklopaedien
und Lehrbuechern darzustellen. Jedoch haben dergleichen
objektive Darstellungen nur beschraenkte Bedeutung. (Warum - die
Begruendung dieser Beschraenktheit ist weiter auszufuehren.)
Wichtiger sind die potentiellen Weltbilder in den Gemutern der
vielen Einzelnen welche von Moment zu Moment fragmentarisch zu
Ausdruck kommen. (offenbar werden) mit einander streiten,
einander widerstreben, einander widerlegen, welche man als
Ausdruck, Auswirkung der eigenartigen Beschaffenheit des
menschlichen Gemuets verstanden werden muss.
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Diese Erklaerung, so scheint es mir, ist eine buendige
Ausfuehrung des cartesischen cogito. Denn das Weltbild, dessen
ich mir von Augenblick zu Augenblick bewuszt werde ist mit dem
Cogito durchaus vereinbar. Ich denke, so heiszt es, also
existiere ich. Was ich denke, der Inhalt meines Denkens
existiert als solcher, als Inhalt, als Gedankengewebe. Die
Gedankengewebe hat die Bedeutung, dasz es in wesentlichem Masze
mit den Gedanken anderer Menschen uebereinzustimmen scheint, so
dasz es mir ein Zusammenleben und ein Zusammenwirken mit ihnen
ermoeglicht, und dasz es mein Leben, und Ueberleben in der Welt
moeglich macht.
Da nun dies ausgesprochen ist, bin ich gezwungen mich zu
fragen, welche weitere annahmen, ueber das reine Bewusztsein
hinaus ich mir erlaubt habe; und in wiefern es moeglich ist die
Existenz dieser weiterenb Annahmen auch aus dem reinen
Bewusztsein zu beweisen und zu rechtfertigen. Das ist
vornehmlich die Annahme, dasz mein Leben Dauer besitzt, und dasz
ich etwas ueberlebe, naemlich das Nichtsein, den Tod. Auch die
Annahme, dasz auszer mir, andere Menschen bestehen, mit deren
Weltbildern ich das meine vergleiche.
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