20000623.00
Um Miszverstaendnisse zu vermeiden, will ich betonen, dass
der Begriff Wahrnehmung, wie ich mich seiner bediene, nicht als
Gegenstand betrachtet werden darf. Er ist eine heuristische
Konstruktion, mittels derer ich mir meine Erkenntnis erklaere,
eine Konstruktion jedoch welche keineswegs beansprucht einen
objektiven Gegenstand zu beschreiben.
So betrachte ich die Erkenntnistheorie der Wahrnehmungen als
eine rein heuristische Erfindung. Sie beansprucht weder die
Erkenntnis noch das Geistesleben erschoepfend zu begruenden, sie
beansprucht nichts als dies Geistesleben zu erklaeren. Diese
Betrachtungsweise, die Erkenntnistheorie der Wahrnehmungen,
beansprucht nichts als eine leidlich gueltige Methode zu bieten,
die Erkenntnisvorgaenge zu beschreiben, damit wir uns besser mit
unseren Erkenntnissen zurecht finden. Am besten betrachtet man
sie als ein Modell des Erkenntnisvorgangs an welchem man sein
eigenes Kennen und Wissen besser zu verstehen lernt.
Wenn ich ein einzelnes Wort, z.B. das Wort "Aufmerksamkeit"
ins Bewusztsein bestelle, vorzueglich indem ich es lese, oder
wenn ich ein solches Wort ausgesprochen hoere, dann, in jenem
Moment, erfuellt die Wahrnehmung dieses Wortes mein Bewusstsein.
Zugleich bin ich mir gewahr, dass diese Wahrnehmung ein nur
geringer Knoten ist in dem weiten und dichten Gewebe der
Wahrnehmungen darin mein Denken besteht; dass eine jede dieser
Wahrnehmungen momentan von der naechsten, von einer der vielen
bereitstehenden Wahrnehmungen abgeloest zu werden vermag, welche,
einer geheimen Gesetzlichkeit gehorchend, von Augenblick zu
Augenblick, von Minute zu Minute, von Stunde zu Stunde, mein
Gemuet durchfluten. (in deren Gesamtheit, mein Wissen, meine
geistige Existenz beruht.)
Es ist aber in gewissem Sinne irreleitend, auf eine
zugegeben prototypische Wahrnehmung hinzuweisen, denn damit
scheine ich anzudeuten, and thereby seem to imply, dass diese
prototypische Wahrnehmung ein Vorbild anderer Wahrnehmungen sei,
dass andere Wahrnehmungen welche sich einstellen, (welche sich
mir aufdraengen) aehnlich begrenzt sind und ueber aehnliche
Deutlichkeit verfuegen. Die Tatsache aber ist anders. Im
Gegenteil, wie ich im Flusz der Rede oder des Lesens mir des
einzelnen Wortes kaum bewuszt bin, oder gar der Buchstaben deren
jeder Einzelne selbst eine Wahrnehmung auszumachen vermoechte, so
besteht das ganze Geistesleben aus Wahrnehmungen welche
unbestimmt begrenzt ineinanderfliessen. (Die Begrenzung der
Wahrnehmung, .i.e., die Feststellung, dass dies zur Wahrheit
gehoert und jenes nicht, diese Begrenzung ist ein Mittel wodurch
ich mir die Wahrnehmung begreiflich mache. M.a.W., das
Wagrnehmungsschema welches ich angefuehrt habe ist ein Modell
welches zwar die Wirklichkeit andeutet, aber selbst nicht die
Wirklichkeit erschoepft.) Deren Inhalt mir zwar gegenwaertig,
deren vermeinte Form jedoch eine heuristische Erfindung ist. wie
etwa die einzelnen Toene, welche sich zu einer Melodie
zusammenfuegen. Dies aber aendert nichts an der Wirksamkeit des
Wahrnehmungsbegriffes. Bedeutend ist dass ich nunmehr gewahr bin
wie die verschiedenen Wahrnehmungen oder potentiellen
Wahrnehungen als Wahrnehmungsgewebe verstanden werden kann. All
dies mit der Folge dass ich das Wahrnehmungsgewebe als Substanz
des Geisteslebens erkenne, dabei aber zugleich der unbestimmtheit
des Wagehmungsgewebes als solchem, m.a.W. dass es keineswegs
anzunhemen ist, dass die Wahrnehmungen saemtluich gueltig waeren,
ihre verhaeltnismaessige Gueltigkeit jedoch daraus ermessen
werden kann, dass sie mir mein Leben, d.h., das fortfliessende
zusammenhaengende Bewusstsein meiner selbst ermoeglichen.
Darueber hinaus zeigen mir, malen mir die Wahrnehmungen in ihrem
Gewebe ein rfeichgefuegtes Bild, eine Vorstellung der Welt in der
ich Lebe, eine Vorstellung welche mehr oder weniger gueltig, mehr
oder weniger fehlerhaft ist. Ein Urteil das davon abhaengt ob
ich das Glas als halbvoll oder halbleer betrachte. Die s
idealisierende Vorstellkung aber einer absoluten unbedingtcen
Wahrheit hat fuer die Wahrnehmungstheorie eine bestimmte hnkte
Bedeutung. r
a
Erstens ist der Wahrheitsbegriff selbst eine (synthetische)
innere Wahrnehmung. Zweitens sind alle Wahrnehmungen in ihrer
Gueltigkeit begrenzt. Dass die Wahrnehmungen nicht absolut
schlechterdings wahr sein sollten, dass sie manchmal gruns falsch
sind, und dass in jedemfalle ihre Wahrheit (Gueltigkeit) stets
verhaeltnismaeszig ist, liegt auf der Hand. In diesem
Zusammenhang muss eingesehen werden, dass der Wahrheitsbegriff
ansich auch eine innere Wahrnehmung ist, und als solcher auch nur
eine beschraenkte Gueltigkeit hat. In diesem Zusammenhang ist zu
bemerken, dass all aeusseren Wahrnemungen ihren Ursprung und ihr
Vorbild in der aeusseren Natur haben, das heisst, das Wort
":Aufmerksamkeit" welches mir von der Seite des Buches in die
Augen faelltchwarz auf wieiss, auf dem Papier, eine
betraechtliche Zahl, wenn nicht behauptet werden will, die
Mehrzahl, der inneren Wahrnehmungen mehr sein wird als Echo oder
Spiegelbild des Auszen. Dass das Gemuet konstatiert ist
Wahrnehmungen synthehisch , schopeferisch herzustellen, zu
gestalten, Wahrnehmungen welche zur Aussenwelt nur mittelbar in
Beziehung stehen. Es geschieht da im Gemuet eine Zersetzung und
eine Synthese, Zusammenstellung, eine Verwandlung, eine
Metamorphose der Wahrnehmungen, welche Begriffe und Bilder
heraufbeschwoeren die in keiner aeusseren Wahrnehmung ihr Vorbild
besitzen. Die Sichtung ahrnehmungen der aeusseren, der inneren,
der synthetischen auf ihre Verlaesslichkeit, Gueltigkeit,
Wahrheit ist ein lebenslaengliches Unternehmen.
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