20000729.00
Die Behauptung des Nichtwissens, und einbegriffen, des
Nichtwissenkoennens mit welcher ich grosz tue und meine mich von
der Truppe der Wissenschaftserkenntnistheoretiker zu
unterscheiden, diese Nachaeffung des Sokrates, diese Behauptung
birgt auch ihre Problematik. Sokrates, bekanntlich, hat seine
Behauptung in einem besonderen Milieu, zu besonderen
paedagogischen Zwecken (Zielen) aufgestellt, und seine ironische
Haltung gegen seine Mitbuerger ist ihm schlecht bekommen. Man
hat ihm vorgeworfen, dasz er die oeffentlichen Gottheiten
miszachte; und wenn man den Ausdruck oeffentliche Gottheiten in
seinem weitesten und tiefsten Sinne deutet, als die oeffentlichen
Gepflogenheiten, das geistige Niveau, den oeffentlichen Glauben,
die Denkungsart seine Mitbuerger, dann hatte die Klage gegen ihn
eine gewisse Berechtigung.
Um meine eigene Lage zu kommentieren, bedarf es der
Beobachtung, dasz die Wirklichkeit, von der ich behaupte, dasz
sie dem Menschen unerreichbar ist, sich doch tatsaechlich von Tag
zu Tag beweist und behauptet, insofern als der Mensch ueberlebt,
lebt und gedeiht. und dasz diese den Menschen erhaltende und
tragende Wirklichkeit durch die allgemeine Geisteskultur, die
Wissenschaft heftig betont und verstaerkt wird. Der Mensch lebt,
ueberlebt, er gedeiht, Auf Grund einer wissenschaftlich
begruendeten Technik hat er die Erde verwandelt; er beginnt den
Weltraum zu verwandeln von welcher behauptet werden soll, dasz
sie unwahr, dasz sie unwirklich sei; insofern als der Denker sie
begrifflich nicht zu erfassen vermag? Welch ein Unfug!
Wirklichkeit und Wahrheit behaupten sich selbst, in der Natur, in
der Natur des Menschen im weitesten Sinne in seiner Wirksamkeit.
Woran es hapert ist des Einzelnen Faehigkeit mit diesem Erfolg,
mit dieser Wirklichkeit, mit dieser Wahrheit zu rande zu kommen;
sie begrifflich zu bestaetigen und zu rechtfertigen. Dieser
Mangel aber hat auch seine Begruendung: naemlich in dem Anspruch
auf seiten des Einzelnen seine Individualitaet, in seinem
Unwillen, in seiner Unfaehigkeit sich in diese "erfolgreiche"
Welt einzufuegen, wobei festgestellt wird, dasz er nicht recht
zuhause ist in der gedeuteten Welt. Zu konstatieren ist die
Ursache dieser des Einzelnen Unbehaglichkeit in der Welt, sein
Versagen (his failure) sich einzufuegen (integrieren), seine
Behauptung seiner Individualitaet, seine Behauptung, dasz die
Subjektivitaet und nicht die Objektivitaet die Wahrheit sei.
Dieses Unbehagen des Einzelnen in der Oeffentlichkeit bedarf der
Untersuchung und des Verstaendnisses, denn sie, und sie in erster
Linie, wenn nicht allein, ist die Quelle der philosophischen
Unzufriedenheit und also des Philosophierens.
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