20000804.01 Die Behauptung sich gleich zu sein und zu bleiben: die Behauptung der Identitaet des Ich, sie ist es welche die Verwandlungen des Ich verdeckt und verhuellt; sie ist es welche die Erkenntnis, die Entdeckung der Verwandlungen denen das Ich sich unterzieht, verbaut. Das Ich, das Selbst, die Subjektivitaet des Menschen ist kein Bestehendes, ist kein Bestaendiges. Das Ich entsteht, waechst, wandelt sich, nimmt ab, (declines) und stirbt. Das Ich lernt zu sehen, zu hoeren, lernt zu denken, lernt eine Sprache zu sprechen. Das Ich, welches eine bestimmte Sprache zu sprechen gelernt hat, ist durch die Lernen ein anderes Ich geworden. Wenn eine konkrete Vorstellung hilft, so mag man sich vorstellen dasz das Gemuet welches die neue Sprache spricht, oder den neuen Gedanken denkt, oder ueber die Erinnerung eines ausgezeichneten, besonderen Erlebnisses verfuegt, dadurch zu einem anderen Gemuet geworden ist, dasz das Gehirn neue zuzaehlige (additional) Nervenzellen entwickelt hat, oder dasz die Funktionen der bestehenden (existing, persisting) Nervenzellen vergroeszert, erweitert, oder geaendert worden sind. Vor allem ist es das Lernen welches das Gemuet (Gehirn) verwandelt. Das gegenstaendlich Objektive das gesehen, das gehort, das erkannt, das verstanden wird, das Sehen, das Hoeren, das Erkennen, das Verstehen, sie alle verwandeln die Funktion des Gehirns, - und warum soll man nicht behaupten duerfen, dasz wo Funktion sich verwandelt, musz wenn auch nur auf molekulaerer Ebne, die Struktur des Gehirns sich aendern. Dies ist das von Platon hervorgehobene Wunder des Lernens: dasz etwas voellig Fremdes, bisher Unbekanntes vertraut und bekannt wird. Dieser Vorgang laeszt sich nicht durch das Vorbestehen eines Bildes im Gemuet erklaeren. Im Vorgang des Lernens wird das Vorbild so zusagen im Gemuet niedergelegt, wird nicht von Innen, sondern von Auszen dem Ich beigefuegt, dem Ich aufgepfroft. (grafted onto the self) Leibnizens praeestablierte Harmonie zwischen Innen und Auszenwelt ist paeestabliert nur in dem sinne, dasz sie zeitlich bevor dem Moment der Erkenntnis geschaffen wird. Aber die praeestablierte Harmonie wird nicht vor aller Zeit geschaffen, nicht bei der Schoepfung am Anfang der Welt, sondern fortwaehrend, indem der Mensch sich entwickelt, indem der Mensch lernt, indem der Mensch progressiv von seiner Umwelt verwandelt wird. Die symbolische Praegnanz entwickelt sich fortwaehrend aus der Begegnung mit der Welt. Die Faehigkeit des Gemuets symbolische Formen zu entwerfen mittels welcher der Gegenstand begriffen wird entwickelt sich fortwaehrend und unbewuszt aus der Begegnung mit dem noch unbegriffenen Gegenstand. Es ist als ob man sich in den (bisher) fremden Gegenstand einuebte, so wie man sich in ein Musikstueck einuebt, nur dasz im Falle der Erkenntniseinuebung, diese Erkenntniseinuebung unbewuszt ist; es sei denn, dasz der Versuch (the struggle, das Ringen) das nochnicht Verstandene zu verstehen, das noch nicht Begriffene zu begreifen, dasz die Muehe und das Unbehagen, das der geistige Schmerz welchen das Nichterkennen, das Nichtverstehen, das Nichtbegreifen ausloest, dasz dieser Schmerz (growing pains) ein Anzeichen der Assimilation des Fremden sein kann; aber doch nicht immer, denn manchmal ist trotz aller Anstrengung die Muehe umsonst, das Wissen, das Erkennen, das Verstehen bleibt aus. Das Lernen also ist die unbewuszte Anpassung Adaptation des Geistes (Gemuets, Gehirns) an die Natur. Sicherlich ist es ein Ausdruck meiner Naivitaet (und meines Groeszenwahns) dasz mir die Erklaerung ein ganz neues Kapitel in der Erkenntnistheorie zu eroeffenen scheint. * * * * *

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