20001221.02
Ich beschliesze, mit Cartesischer Gesinnung, alles Wissen,
das gesammte Begriffsgebaeude darin das geistige Leben besteht,
in Frage zu stellen, und mich auf das Selbstbewusztsein als das
einzig verlaeszliche Faktum (Tatsache) zu beschraenken. Wie
vereinbare ich nun diesen radikalen Zweifel an der gedeuteten
Welt mit der unverkennbaren Tatsache, dasz ich mich in ihr,
jedenfalls bis zu einem gewissen, gegebennem beschraenktem Masze,
zurechtfinde, dasz ich mich in der Stadt und in der Strasze wo
ich wohne, zurechtfinde, dasz ich meinen Namen, meine Adresse,
meine Telephonnummer weisz, und zu benutzen faehig bin: dasz ich
mein Haus, mein Zimmer, meinen Schreibtisch, meine Werkstatt,
mein Bett, mein Weib zu finden vermag; und all dieser
Faehigkeiten bediene ich mich, wenn nicht auf Grund, so doch im
Zusammenhang mit woertlicher, begrifflicher Benennung.
Mein Problem ist, dasz schon die geringste Erweiterung
(Ausdehnung) dergleichen Vorstellungen und Begriffe dem Irrtum
anheimfaellt; dasz ich unter Umstaenden sogar meine
Postanschrift, meine Telephonnummer, vergesse, oder was weisz
ich, selbst am eigenen Namen irre werde. worauf vermag ich mich
dann zu aller letzt (in the final analysis, instance) zu
verlassen?
Da faellt mir ein, dasz obwohl mein Bewusztsein all meine
Handlungen, all mein Tun (und all mein Denken) begleitet, dies
Bewusztsein aber meine Handlungen, mein Tun, meine Gedanken
keineswegs begruendet oder verursacht. Ich sehe, ohne dasz ich
von der Anatomie oder Physiologie des Auges auch nur das
Geringste verstuende. Ich hoere, ohne dasz ich von der Anatomie
oder Physiologie des Ohres auch nur das Geringste verstuende.
Ich denke, ohne dasz ich von der Anatomie oder Physiologie des
Gehirns auch nur das Geringste verstuende. Ich schreite dahin,
ohne dasz ich von der Anatomie oder Physiologie der Knochen,
Muskeln, Sehnen, Nerven oder Blutgefaesze auch nur das Geringste
verstuende.
Das Sehen, Hoeren, Denken, Dahinschreiten, - sie alle haben
ihre eigene Richtigkeit und Gueltigkeit vor und auszerhalb
jeglicher Theorie, auszerhalb jeglichen theoretischen
Verstaendnisses. Diese Gueltigkeit bewaehrt sich nicht im
Gedanken sondern im Geschehen.
Alles Denken, alles Sinnen, alles Theoretisieren ist mit
Irrtum behaftet. Alles Handeln mit Schwaeche und Versagen. Die
schiere Existenz aber, bezeugt die Genuegsamkeit der Handlungen.
(is evidence of the sufficiency of our actions)
Aus diesen Erwaegungen geht ein doppelter Sinn des Begriffes
Denken hervor: Einerseits beansprucht das Denken ein zureichendes
Bild der Wirklichkeit zu liefern: und als solches ist es
fehlerhaft. Andererseits aber begleitet und leitet das Denken
(all) unser Tun, und wird durch die Wirksamkeit der Handlung, und
nur durch diese, bestaetigt. In diesem (letzteren) Sinne, ist
das Denken eine Handlung, welche, wie alle Handlungen, ihren
Zweck manchmal erfuellt und manchmal verfehlt.
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