20010510.00 "Ich weiss dass ich nichts weiss." Das ist die Erkenntnislehre des Sokrates. "Cogito ergo sum." Das einzige dessen ich sicher zu sein vermag ist dass ich bin. Ueber alles andere bin ich mir im Unklaren. Ueber alles andere bekenne ich mich als unwissend. Alles andere muss vorest bezweifelt werden. Das ist die Erkenntnislehre des Rene Descartes. Es ist kein Zufall, dass diese beiden Erkenntnistheorien uebereinstimmen. Denn wenn Sokrates behauptet: Ich weiss (nur) dass ich nichts weiss, so behauptet er inbegriffen mit diesem Satz seine subjektive Existenz, nicht weniger als Descartes ausdrueckliche Behauptung, dass er sei. Die moderne Erkenntnistheorie taete gut daran, sich diesen beiden schlichten (modest) anspruchslosen Behauptungen anzuschliessen. Das Wissen welches Sokrates zweifelnd ablehnte war die anspruchsvolle Rhetorik der Sophisten. Das Wissen welches Descartes meine bezweifeln zu muessen war die vergleichbar anspruchsvolle Rhetorik der Scholastiker. Die Schwaeche der neuzeitlichen Erkenntnistheorie ist, dasz sie nicht zu zweifeln vermag. GVewiss zweifelt sie an en ueberlieferten philosophischen Lehren; aber an einem zweifelt sie nicht, und das ist die moderne Wissenschaft und sie tritt auf als sei die theoretische Bestaetigung und Rechtfertigung der modernen Wissenschaft ihre eigentliche Aufgabe und ihr eigentlicher Zweck. Waehrend doch gerade das, was am sichersten erscheint den Zweifel am dringendsten benoetigt. Der Sokratische Zweifel gilt den Lehren der Philosophen seiner Zeit, welche wir als " Vorsokratisch" bezeichnen, galt den Lehren der Sophisten, welche oeffentliche Anschauungen und Meinungen zu einem lehrbaren Dogma erheben (elevate) beanspruchten. Es war oeffentliches, im strengen Sinne des Wortes, politisch bestimmtes Wissen woran Sokrates zweifelte, welches Sokrates zuro.PPueckwies. Der Cartesische Zweifel gilt auch den Lehren der Philosophen seiner Zeit, in seinem Falle sind es die Lehren Scholastiker welche die Saetze des Aristoteles mit denen der Kirche aufs unziemlichste (inschicklichste) vermengen und vermischen. In beiden Faellen ist es ein oeffentliches gemeinschaftliches Wissen gegen das protestiert wird, das bezweifelt wird; und dies zugunsten eines inwendigen, subjektiven, leidenschaftlichen Wissens. Diese Leidenschaftlichkeit des Zweifels, dieser Rueckzug des Denkens auf das Innere, auf das Subjektive weist auf eine Verbindung mit den Traditionen des Protestantismus. Sie von aussen erblickend, mag man sagen, dass jeder in seiner Weise sowohl Sokrates wie auch Descartes Protestant war, protestant gegen eine gesellschaftliche (gemeinschaftliche) Usurpation der Innerlichkeit. Und wenn man die groszen Protestanten der religioesen Ueberlieferung bedenkt, Jesaja, Jeremiah, Jesus, Luther und Kierkegaard, so sieht man sofort das auch sie, ein jeder von ihnen an etwas zweifelte, Jesaja und Jeremiah zweifelten an der juedischen Volkskultur, Jesus zweifelte an der Gueltigkeit der von den Pharisaeern vertretenen Gesetze; Luther zweifelte an der roemisch- katholischen Auslegung des Christentums; und Kierkegaard zweifelte an dem wissenschaftlichen Positivismus seiner Zeit, an der heleschen Dogmatik, und zuletzt an der Christhaftgkeit der daenisch lutherischen Kirche. Dass in dem Falle der Zweifel eher einer Praxis galt als einer Theorie ist von geringem Belang; denn Praxis ist letzten Endes nichts als angewandte verwirklichte Theorie; und Theorie ist nichts als die Rationalisierung der Praxis. So ist in jedem Falle die Wendung eine von der Gesellschaftlichkeit zur Inwendigkeit: Und dies in Anbetracht der Tatsache dass das menschliche Denken und Handeln ueberhaupt nur in einem gesellschaftlichen Rahmen moeglich ist. Dass die Gesellschaftlichkeit Vorbedingung fuer alles menschliche Denken und Handeln ist. * * * * *

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