20010701.01
In seiner Antrittsvorlesung (1867) in Basel spricht
Dilthey ueber die Beziehung der deutschen sogenannten
idealistischen Philosophie, Fichte, Hegel, und Schelling, zu
jener geistigen Bluete Deutschlands welche wir seitdem mit
den Namen Lessing, Goethe und Schiller. als die deutsche
Klassik bezeichnen.
Aus Anlaessen die ich jetzt nicht mehr zu bestimmen
vermag, ist dies eine Vorstellung in der auch ich seit fast
der Kindheit befangen war. Ich meinte erst mit dem
"Verstehen" jener Philosophen, Hegel und Schelling, wuerde
ich jene Epoche des Geisteslebens zulaenglich zu begreifen
vermoegen. Begreifen tue ich die Philosophie und die
Literatur nun auch reichlich genug; aber in gaenzlich
anderer Stimmung als ich einst erwartete. Ernuechtert und
aufgeklaert, von idealisierenden Vorurteilen befreit.
Der Schluessel zu dieser Aufklaerung ist die
synthetische Beschaffenheit der Geschichte, dass sie
keineswegs so ist, wie wie sie uns vorstellen, sondern eine
Abwandlung unseres Gemuets in Anbetracht unseres
Gedaechtnisses, als des (inneren) Erlebnisses der
Vergaenglichkeit, und in Anbetracht der gegenstaendlichen
Weisungen die auf das Vergangene hindeuten. Die Geschichte
als die Vorstellung der Vergangenheit entsteht immer nur im
menschlichen Gemuet, als geistige Beschaeftigung des
Einzelnen, oder als Uebereinkommen einer Gesellschaft deren
Mitglieder sich die "Geschichte" gegenseitig erzaehlen, so
dass das gewissenhafte Erzaehlen der Geschichte letzthin die
Buergschaft fuer ihre Gueltigkeit wird.
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