20010708.00
Zu Hoelderlins Hyperion:
Es ist ein Sprachfehler, eine Begriffsverzerrung das
Erotische ausschliesslich auf das Geschlechliche, auf das
Sexuelle zu beschraenken. Selbstverstaendlich vermag man,
und man hat es von Zeit zu Zeit vigorously enough pursued,
energisch genug angestrebt, die gesammte geistige und
koeprliche Taetigkeit der Menschen als auf ihre
Fortpflanzung gezielt zu deuten: auch das Essen und Trinken,
der Schlaf, die Ruhe und die Arbeit, die Technik und die
Kunst, muessten dann unter die Rubriken des Geschlechtlichen
eingestuft werden. Mit dergleichen undiscriminating
unkritischen Zusammenhaeufen des Verschiedenen wuerden Sinn
und Bedeutung erstickt (zerstoert). Geistig eintraeglicher
ist es genauer hinzuschauen, und die mannigfaltigen
Verkettungen der Lebensmotive als solche zu erkennen: zu
trennen wo sich Unterschiede erweisen, zu verbinden wo aus
scheinbar Verschiedenem Aehnlichkeit, Gleichfoermigkeit oder
gar Identitaet sich entpuppen.
"Eines zu sein mit allem was lebt, in seliger
Selbstvergessenheit zu sinken ins All der Natur." Ich deute
diese Sehnsucht als Urausdruck aller erotischen Triebe,
aller Beduerfnisse sich mit der Welt, mit der Natur, mit den
Menschen zu vereinen. Dass eine koerperliche Vereinigung im
Geschlechtsakt tatsaechlich stattfindet, mag man als Zufall
betrachten, oder als Wurzel und Schluessel des erotischen
Erlebnisses. Letzten Endes ist das eine Frage der
Gedankenperspektive welche nur an der Erkenntnis, nicht aber
am Erkannten etwas aendert. Wesentlich ist hierbei nur
festzustellen, und festzubehalten, dass die psychischen und
gesellschaftlichen Beschraenkungen (Taboos) welche sich auf
den Geschlechtsakt selbst beziehen, wegen seiner
potentiellen Gewaltsamkeit, wegen der potentiellen
Schwaengerung, wegen der persoenlichen und
gesellschaftlichen Verantwortung fuer das erzeugte (Kind),
und vielleicht sogar wegen der Ansteckungsgefahr mit
Geschlechtskrankheiten, und vor allem, wegen der Preisgabe
der Scham, wegen der Veraeusserlichung des Subjektivsten,
die hier offenbar wird: dass diese Taboos (Beschraenkungen)
sich nicht notwendigerweise auf andere Erscheinungen
(Manifestationen) des Erotischen zu erstrecken brauchen,
vielleicht sich auf diese nicht erstrecken duerfen.
Bei diesen Ausfuehrungen habe ich besoders im Sinn die
Freundschaft zwischen Menschen gleichen Geschlechts, die
homosexuelle Freundschaft welche weil sie homosexuell ist,
dennoch keineswegs sexuell zu sein braucht; welche vom
strickten biologischen Standpunkt aus keineswegs sexuell
sein koennen. So auch (correspondingly) ist es wichtig sich
die Moeglichkeit von asexuellen erotischen Beziehungen
zwischen Menschen verschiedenen Geschlechts zu
vergegenwaertigen. ==================== Erotik als Liebe
welche die Getrenntheit der Wesen aufhebt. Agape als Liebe
welche die Getrenntheit der Wesen bestaetigt. Ist der Eifer
Gottes (ich bin ein eifriger Gott) im Alten Testament
Ausdruck einer erotischen Beziehung zu den Menschen? Ich
denke nicht. Es ist zwischen dem Eifer Gottes und seiner
Agape eine gewisse Spannung. Der Gott des Alten Testaments
ist nicht _wirklich_ eifrig. er tut nur so.
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