20010809.00 Die Dichtung und die Prosa die ich verfasse verfolgen beide den gleichen Zweck, nicht zu unterhalten, auch nicht zu belehren, sondern die eigene Erlebniswelt zu erweitern. Sie sind in diesem Sinne Entdeckungsmanoever, Entdeckungsreisen im Geiste welche die Welt in der ich lebe erweitern und bereichern sollen. Mein Schreiben ist ein systematisches Erforschen der Welt meiner Vorstellungen. Wenn ich in diesem Zusammenhang versuchte zwischen Aussenwelt und Innenwelt, zwischen Objektivem und Subjektivem zu unterscheiden, so wuerde ich das Wesen der Vorstellung verfaelschen: denn die Vorstellung ist ja gerade die Ueberbrueckung der scheinbaren Spaltung zwischen den beiden. Es ist ein bedeutsamer Umstand, dass ich um mich selbst zu verstehen, sprechen muss, und dass die Sprache in welcher ich allein mich selbst begreife zugleich anderen verstaendlich sein muss. Eine Sprache die nur ich selber verstuende waere ein Zeichen des Wahnsinns. Dies ist das Wesen der Gesellschaftlichkeit: eben dass das Individuum, nicht nur in seiner Enstehung und Entwicklung, sondern auch in der letzten, hoechsten und aeussersten Steigerung seines Wissens und Koennens von seinen Mitmenschen abhaengig ist, und dass es ihm in keinem Stadium und auf keiner Stufe seines Lebens moeglich ist abgetrennt von anderen Menschen wirklich ein Einzelner, wirklich ein Individuum zu sein. Ich denke nicht, dass der Drang ins Innere, der Drang ein Einzelner, ein Einzigartiger, ein Individuum zu sein, ein Fehler ist, eine Taeuschung, oder gar ein Betrug: denn diese Notwendigkeit ist dem Menschen nicht weniger eingefleischt als die Abhaengigkeit von der Gesellschaft. Der Drang ins Innere, die Wendung zu sich selbst ist in seiner Notwendigkeit vergleichbar mit den Nahrungstrieben, mit Hunger und Durst, mit dem Geschlechtstrieb, und mit dem Drang sich in der Welt ein Zuhause zu gestalten. Ein Widerspruch dem keine Loesung in Aussicht steht: es sei denn dass der Widerspruch als aeusserlich, als begrifflich erkannt wird, und dass es die Aufgabe der dritten Wissenschaft, oder besser geheissen, der dritten Logik sein muss, ein Gleichgewicht, einen Ausgleich zwischen den sich widerstreitenden Thesen zu bewerkstelligen. Gerade in diesem Falle, gerade bei diesem Beispiel scheint mir die Aufgabe und die Methode der dritten Logik erkenntlich zu werden, naemlich eine jede der Thesen kritisch zu bewerten, jede dieser Thesen aus ihrem Ursprung zu begreifen, und zu begreifen auch ... Dabei wird sich herausstellen, dass der Widerspruch zwischen ihnen von einer Uebertreibung (overreaching, exaggeration) beider Standpunkte herruehrt. Die Aufgabe der dritten Logik ist zu erklaeren, wieso es zu dieser Uebertreibung kam, was diese Uebertreibung verursacht, veranlasst haben mochte. und festzustellen, was geschehen wuerde, welche Unzulaenglichkeiten, welche Widersprueche sich ergaeben, wenn eine jede der beiden Uebertreibungen zurueckgeschraubt wuerde, Das Wort Elend bezeichnet den Kummer und die Verwuestung welche ein Mensch erfaehrt, welcher aus seiner Gesellschaft vertrieben, welcher entwurzelt, welcher heimatlos ist. Es muss wohl einme Andeutung dieser Entbehrung gewesen sein, die ich schon als Kind spuerte, und die mich zum Wiedererlernen der deutschen Sprache draengte; denn die Sprache ist das staerkste und wirksamste Band der Vergesellschaftung. So lange ich ueber die deutsche Sprache verfuegte war ich in ihr beheimatet, und mehr bedurfte ich nicht. Ging mir die deutsche Sprache verloren, so fuerchtete ich selbst verloren zu gehen, so fuerchtete ich heimatlos zu werden; eine Furcht welche in Anbetracht meiner Kenntnis des Englischen uebertrieben, wenn nicht gar unbegruendet war. Mir scheint, dass es der dritten Logik auch gelingt manche der Schwierigkeiten der Ersten und der Zweiten Logik zu ueberwinden. Sie tut dies indem sie die scheinbare Festigkeit und Eindeutigkeit der Begriffe und der Beziehungen in Frage stellt. Es ist ein Verfahren der Entidealisierung des sprachlichen Ausdrucks mittels welcher die Dritte Logik die Widersprueche des Denkens zu entwirren sucht. * * * * *

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