20011019.00
Wenn ich es unternehme, einen Satz, einen Absatz, ein
Kapitel, ein Buch zu schreiben, so entwickele ich die
Gedanken und deren Ausdruck an einem Massstab vermutlich
allgemeiner gesellschaftlicher Verstaendlichkeit. Jedoch
bleibt diese Vermutung von gesellschaftlicher
Verstaendlichkeit fragwuerdig (problematisch), und dies aus
verschiedenen Gruenden: Denn erstens besteht der Wert des
Gedankenausdrucks ja gerade darin, dass er das Geistesleben
des Empfangenden erweitert, und diese Erweiterung macht es
unmoeglich, dass die Geisteswelt des Lesenden mit der des
Schreibenden vollkommen uebereinstimmen sollte. Denn taete
sie dies, so ware ja nichts zu uebertragen, und das
Schreiben nicht weniger als das Lesen waere sinnlos.
Zweitens ist auch die Tatsache nicht zu verkennen, dass
alles Verstehen, dass alles Verstaendnis ein Ideal ist, eine
Vorstellung, ein Ziel das nie erreicht wird, dass es dem
Menschen schlechthin unmoeglich ist auch nur die eigenen
Gedanken gruendlich zu verstehen, geschweige denn die eines
anderen.
So erscheint das Geistesleben ein Austauschen von
Worten, von Gedanken auf einer Oberflaeche die zu
durchdringen unmoeglich ist; eben weil das Wesen des
gegenseitigen Verstehens, wenn man will das Wesen der
gegenseitigen gemeinschaftlichen Geistigkeit, das Wesen des
Geistes, in dieser Oberflaechlichkeit besteht. Und alles
Verstehen ist Annaeherung, ist Approximation, oder ist
Taeuschung: die Taeuschung seiner selbst oder des anderen.
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