20011020.00 Die Unterscheidung zwischen dem Begriffswissen und dem Wirkungswissen, eine Unterscheidung welche ich zum ersten Mal vor einigen Jahrzehnten erwaehnte, scheint mir heute von entschiedener erkenntnistheoretischer Bedeutung. Es liegt in dem Wesen der Ueberlieferung, dass die Erkenntnistheorie sich von ihrem sokratischen Ursprung bis zum heutigen Tag (fast) ausschliesslich mit der Frage nach dem Begriffswissen befasst; denn dieses Wissen laesst sich in ein enggewobenes und doch weitverzweigtes Gefuege wortgebundener Begriffe aufloesen, welche zu lehren und zu lernen die Aufgabe des Schulwesens im Allgemeinen, und ins Besondere des akademischen (Universitaets)Betriebes ist. Es ist das Begriffswissen welches vornehmlich in Lehrbuechern beurkundet ist; zugleich aber in sich selbst befangen, unfaehig ist seine Grenzen zu ueberspringen (uebertreten) (to vault over its boundaries), und das letztlich neben seinem tautologischen Inhalt, nur auf ein kleinliches, gesellschaftliches: "Ich weiss was, was du nicht weisst," auslaeuft. Das Wirkungswissen ist Koennen, ist Wissen das sich im Erleben und im Handeln offenbart und das im Erleben und im Handeln verwirklicht wird. Wirkungswissen oder Koennen ist voellig anderer Art als Begriffswissen; in einem solchen Masse, dass es bemerkenswert ist, dass so verschiedene geistige Fakultaeten (Vermoegen, Faehigkeiten) mit ein und demselben Worte bezeichnet sein sollten. Als prototypisches Beispiel stelle ich mir eine Strasse, einen Wanderpfad, einen Weg zu einem bekannten Ziel vor. Ich kenne den Weg. Das will heissen, dass ich, wenn ich ihn aufs neue beschreite, mich an jede Strecke, an jede Biegung des Weges erinnere, dass ich bei jeder Abzweigung weiss, ob ich um ans Ziel zu gereichen, nach rechts oder links abbiegen muss. Und hinzu kommt noch, dass es ueberfluessig ist, mir diese Entscheidungen bewusst werden zu lassen. Das Wirkungswissen vermag sich unter Umstaenden bar jeden begrifflichen Ausdrucks zu entwickeln und entfalten; obwohl es nicht selten auf begriffliche Erklaerung angewiesen ist. Letzten Endes aber ist das Begriffswissen nur ein Hilfsmittel, das dazu dient das Wirkungswissen, das Koennen, die Handlungsfaehigkeit zu steigern. * * * * *

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