20011203.00
Lieber Helmut,
Dank fuer Dein Schreiben. Vergib mir, dass ich es umgehend
beantworte. Es ist eine Eigenart meinerseits, dass ich
geneigt bin sogleich zu antworten. Jetzt oder nie, als ob
es mir spaeter unmoeglich, oder jedenfalls beschwerlich
wuerde, an den Gedankenfaden aufs neue anzuknuepfen.
Margaret hat fast den ganzen Tag, bis es dunkelte, die vie-
len Blaetter die sich auf unserem Rasen angehaeuft hatten
zusammen zu harken. Bei diesem wunderbaren herbstlichen Son-
nenschein der uns in den juengst vergangene Tagen gegoennt
war, ein wohltuende Betaetigung.
Du kennst sicherlich das schoene Gedicht von Rilke:
Die Blaetter fallen, fallen wie von weit,
Als welkten in den Himmeln ferne Gaerten.
Sie fallen mit verneinender Gebaerde,
Und in den Naechten faellt die schwere Erde
Aus allen Sternen in die Einsamkeit ...
Ich denke an Dich beim Packen. Ich habe den Aufbruch zur
Reise zeitlebens als sehr beunruhigend erlebt; und doch,
kann ich es mir vorstellen, wenn ich heute als Araber die
U.S.A. verliesse, so kaeme ich mir vor wie 1939 auf dem
Kolumbuskai in Bremerhaven, auf dem Wege nach Amerika. Wer
einmal gelernt hat Fluechtling zu sein, wird es nie verler-
nen.
Ich besinne mich auf ein Gedicht von Hoelderlin:
DEM LANDGRAFEN VON HOMBURG
Nah ist Und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr
ist, w"achst Das Rettende auch. Im Finstern wohnen Die Adler
und furchtlos gehn Die S"ohne der Alpen "uber den Abgrund weg
Auf leichtgebaueten Br"uken. Drum, da geh"auft sind rings Die
Gipfel der Zeit, und die Liebsten Nah wohnen, ermattend auf
Getrenntesten Bergen, So gieb unschuldig Wasser, O Fittige
gieb uns, treuesten Sinns Hin"uberzugehn und wiederzukehren.
So sprach ich, da entf"uhrte Mich schneller, denn ich ver-
muthet Und weit, wohin ich nimmer Zu kommen gedacht, ein Ge-
nius mich Vom eigenen HauB'. Es d"ammerten Im Zwielicht, da
ich gieng Der schattige Wald Und die sehns"uchtigen B"ache Der
Heimath; nimmer kannt' ich die L"ander; Doch bald, in
frischem Glanze, GeheimniBvoll Im goldenen Rauche, bl"uhte
Schnellaufgewachsen, Mit Schritten der Sonne, Mit tausend
Gipfeln duftend,
Mir Asia auf, und geblendet sucht' Ich eines, das ich ken-
nete, denn ungewohnt War ich der breiten Gassen, wo herab
Vom Tmolus f"ahrt Der goldgeschm"ukte Pactol Und Taurus stehet
und Messogis, Und voll von Blumen der Garten, Ein stilles
Feuer; aber im Lichte Bl"uht hoch der silberne Schnee; Und
Zeug unsterblichen Lebens An unzugangbaren W"anden Uralt der
Epheu w"achst und getragen sind Von lebenden S"aulen, Cedern
und Lorbeern Die feierlichen, Die g"ottlichgebauten Pall"aste.
Es rauschen aber um Asias Thore Hinziehend da und dort In
ungewisser Meeresebene Der schattenlosen StraBen genug, Doch
kennt die Inseln der Schiffer. Und da ich h"orte Der na-
hegelegenen eine Sei Patmos, Verlangte mich sehr, Dort
einzukehren und dort Der dunkeln Grotte zu nahn. Denn
nicht, wie Cypros, Die quellenreiche, oder Der anderen eine
Wohnt herrlich Patmos,
Gastfreundlich aber ist Im "armeren HauBe Sie dennoch Und
wenn vom Schiffbruch oder klagend Um die Heimath oder Den
abgeschiedenen Freund Ihr nahet einer Der Fremden, h"ort sie
es gern, und ihre Kinder Die Stimmen des heiBen Hains, Und
wo der Sand f"allt, und sich spaltet Des Feldes Fl"ache, die
Laute Sie h"oren ihn und liebend t"ont Es wieder von den Kla-
gen des Manns. So pflegte Sie einst des gottgeliebten, Des
Sehers, der in seeliger Jugend war
Gegangen mit Dem Sohne des H"ochsten, unzertrennlich, denn
Es liebte der Gewittertragende die Einfalt Des J"ungers und
es sahe der achtsame Mann Das Angesicht des Gottes genau,
Da, beim Geheimnisse des Weinstoks, sie ZusammensaBen, zu
der Stunde des Gastmals, Und in der groBen Seele, ruhigah-
nend den Tod Aussprach der Herr und die lezte Liebe, denn
nie genug Hatt' er von G"ute zu sagen Der Worte, damals, und
zu erheitern, da Ers sahe, das Z"urnen der Welt. Denn alles
ist gut. Drauf starb er. Vieles w"are Zu sagen davon. Und es
sahn ihn, wie er siegend blikte Den Freudigsten die Freunde
noch zulezt,
Doch trauerten sie, da nun Es Abend worden, erstaunt, Denn
GroBentschiedenes hatten in der Seele Die M"anner, aber sie
liebten unter der Sonne Das Leben und lassen wollten sie
nicht Vom Angesichte des Herrn Und der Heimath. Eingetrieben
war, Wie Feuer im Eisen, das, und ihnen gieng Zur Seite der
Schatte des Lieben. Drum sandt' er ihnen Den Geist, und
freilich bebte Das Haus und die Wetter Gottes rollten Fern-
donnernd "uber Die ahnenden H"aupter, da, schwersinnend Ver-
sammelt waren die Todeshelden,
Izt, da er scheidend Noch einmal ihnen erschien. Denn izt
erlosch der Sonne Tag Der K"onigliche und zerbrach Den ger-
adestralenden, Den Zepter, g"ottlichleidend, von selbst, Denn
wiederkommen sollt es Zu rechter Zeit. Nicht w"ar es gut
Gewesen, sp"ater, und schroffabbrechend, untreu, Der Menschen
Werk, und Freude war es Von nun an, Zu wohnen in liebender
Nacht, und bewahren In einf"altigen Augen, unverwandt Ab-
gr"unde der Weisheit. Und es gr"unen Tief an den Bergen auch
lebendige Bilder,
Doch furchtbar ist, wie da und dort Unendlich hin zerstreut
das Lebende Gott. Denn schon das Angesicht Der theuern Fre-
unde zu lassen Und fernhin "uber die Berge zu gehn Allein, wo
zweifach Erkannt, einstimmig War himmlischer Geist; und
nicht geweissagt war es, sondern Die Loken ergriff es,
gegenw"artig, Wenn ihnen pl"ozlich Ferneilend zur"uk blikte Der
Gott und schw"orend, Damit er halte, wie an Seilen golden
Gebunden hinfort Das B"ose nennend, sie die H"ande sich re-
ichten -
Wenn aber stirbt alsdenn An dem am meisten Die Sch"onheit
hieng, daB an der Gestalt Ein Wunder war und die Himmlischen
gedeutet Auf ihn, und wenn, ein R"athsel ewig f"ureinander Sie
sich nicht fassen k"onnen Einander, die zusammenlebten Im
Ged"achtniB, und nicht den Sand nur oder Die Weiden es hin-
wegnimmt und die Tempel Ergreifft, wenn die Ehre Des Halb-
gotts und der Seinen Verweht und selber sein Angesicht Der
H"ochste wendet Darob, daB nirgend ein Unsterbliches mehr am
Himmel zu sehn ist oder Auf gr"uner Erde, was ist diB?
Es ist der Wurf des S"aemanns, wenn er faBt Mit der
Schaufel den Waizen, Und wirft, dem Klaren zu, ihn schwin-
gend "uber die Tenne. Ihm f"allt die Schaale vor den F"uBen,
aber Ans Ende kommet das Korn, Und nicht ein "Ubel ists, wenn
einiges Verloren gehet und von der Rede Verhallet der
lebendige Laut, Denn g"ottliches Werk auch gleichet dem un-
sern, Nicht alles will der H"ochste zumal. Zwar Eisen tr"aget
der Schacht, Und gl"uhende Harze der Aetna, So h"att' ich Re-
ichtum, Ein Bild zu bilden, und "ahnlich Zu schaun, wie er
gewesen, den Christ,
Wenn aber einer spornte sich selbst, Und traurig redend,
unterweges, da ich wehrlos w"are Mich "uberfiele, daB ich
staunt' und von dem Gotte Das Bild nachahmen m"ocht' ein
Knecht - Im Zorne sichtbar sah' ich einmal Des Himmels Her-
rn, nicht, daB ich seyn sollt etwas, sondern Zu lernen.
G"utig sind sie, ihr VerhaBtestes aber ist, So lange sie
herrschen, das Falsche, und es gilt Dann Menschliches unter
Menschen nicht mehr. Denn sie nicht walten, es waltet aber
Unsterblicher Schiksaal und es wandelt ihr Werk Von selbst,
und eilend geht es zu Ende. Wenn nemlich h"oher gehet himm-
lischer Triumphgang, wird genennet, der Sonne gleich Von
Starken der frohlokende Sohn des H"ochsten,
Ein Loosungszeichen, und hier ist der Stab Des Gesanges,
niederwinkend, Denn nichts ist gemein. Die Todten weket Er
auf, die noch gefangen nicht Vom Rohen sind. Es warten aber
Der scheuen Augen viele Zu schauen das Licht. Nicht wollen
Am scharfen Strale sie bl"uhn, Wiewohl den Muth der goldene
Zaum h"alt. Wenn aber, als Von schwellenden Augenbraunen Der
Welt vergessen Stillleuchtende Kraft aus heiliger Schrift
f"allt, m"ogen Der Gnade sich freuend, sie Am stillen Blike
sich "uben.
Und wenn die Himmlischen jezt So, wie ich glaube, mich
lieben Wie viel mehr Dich, Denn Eines weiB ich, DaB nemlich
der Wille Des ewigen Vaters viel Dir gilt. Still ist sein
Zeichen Am donnernden Himmel. Und Einer stehet darunter Sein
Leben lang. Denn noch lebt Christus. Es sind aber die
Helden, seine S"ohne Gekommen all und heilige Schriften Von
ihm und den Bliz erkl"aren Die Thaten der Erde bis izt, Ein
Wettlauf unaufhaltsam. Er ist aber dabei. Denn seine Werke
sind Ihm alle bewuBt von jeher.
Zu lang, zu lang schon ist Die Ehre der Himmlischen un-
sichtbar. Denn fast die Finger m"ussen sie Uns f"uhren und
schm"ahlich EntreiBt das Herz uns eine Gewalt. Denn Opfer
will der Himmlischen jedes, Wenn aber eines vers"aumt ward,
Nie hat es Gutes gebracht. Wir haben gedienet der Mutter
Erd' Und haben j"ungst dem Sonnenlichte gedient, Unwissend,
der Vater aber liebt, Der "uber allen waltet, Am meisten, daB
gepfleget werde Der veste Buchstab, und bestehendes gut
Gedeutet. Dem folgt deutscher Gesang.
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Im Deutschen heisst es "Auf Wiedersehen", aber "Goodbye"
finde ich unendlich sinnvoller.
Dein Jochen
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