20011210.01 Ich kann nicht umhin Schopenhauers Beschreibung der Welt als Wille, als eine Art Animismus zu erkennen, ein Verfahren mit welchem der Mensch seine eigene Lebendigkeit, sein Bewusstsein, sein Ichgefuehl, anderen Wesen zuschreibt. Dieser Definition gemaess, ist Animismus durchaus verstaendlich, naemlich als Grundlage jener gesellschaftlichen Bindung und Verbindung welche die Basis des menschlichen Lebens darstellt; in einfachster Weise im christlichen Liebesgebot ausgedrueckt: liebe deinen Naechsten wie dich selbst. Das heisst, erkenne deinem naechsten deine eigene Subjektivitaet an. Darauf die beruehmte Frage: Wer ist mein Naechster? eine Frage welche jedoch im Gleichnis vom Guten Samariter eine unzulaengliche Antwort bekommt. Die Antwort will den engen Kreis des juedischen Sippenbewusstseins durchbrechen und jedenfalls den Samariter in die Gemeinschaft der Geliebten einschliessen, vermutlich (one assumes) den Samariter als Sinnbild fuer alle Menschen. Diese Loesung, so gross-herzig, magnanimous, generous, sie auch ist, verbirgt dennoch drei weit auszweigende (wide- branching) ungeloeste Probleme. Erstens unterlaesst (neglects) sie, der unvermeidlichen und auch lebensnotwendigen Abgvrenzung des Einzelnen gegen den Anderen, Abgrenzung des Einzelnen gegen die Gesellschaft, gegen die Welt gerecht zu werden. und der Feindseligkeit welche unvermeidlich daraus entsateht. (Die Abgrenzung hat materielle sowohl als auch geistige Gruende.) Zweitens unterlaesst diese Loesung die Probleme der Beziehung des Einzelnen nur nicht-menschlichen Welt, zu den Tieren, zu den Pflanzen, zur anorganischen Natur. Die Vernachlaessigung ist nicht nur in ethischer Dimension. Die Loesung unterlaesst (neglects) es uns anzuweisen, wie wir uns zu Tieren, Pflanzen, anorganischen Gebilden zu verhalten haben: was, wenn irgend, unsere Pflichten ihnen gegenueben sein moechten, und entgegengesetzt, was wir von ihnen verlangen, erwarten duerfen. Das Ausfallen der Erklaerung ist auch erkenntnistheoreischer Art, denn die benannte Loesung ogibt keine Andeutung (gives no hint) wie wir Tiere, Pflanzen, und die anorganische Welt begreifen sollten. Und hier ist es wo die Schopenhauerische Theorie der Welt als "mein" Wille, wie mir scheint zu Animismus wird, oder jedenfalls zu werden droht. Drittens unterlaesst (neglects) es diese Loesung da sie ganz auf den Einzelnen, auf des Einzelnen Handlung und Gewissen eingestellt ist, Rechenschaft oder Anweisung ueber Wesen und Pflichten der Gesellschaft zu erteilen, Pflichten des Einzelnen der Gesellschaft gegenueber; aber auch dem Wesen und den Pflichten der Gesellschaft nicht gerecht wird. * * * * *

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