20011222.01
Wenn ich heute ueberlese, was ich vor etwa achtzehn
oder neunzehn Jahren schrieb, so ist mein Verhalten viel
weniger kritisch als wenn ich es vor ein paar Stunden oder
auch nur vor ein paar Tagen geschrieben haette. Dann
betrachte ich es nicht mehr als meine eigenes, sondern als
das Werk eines anderen, und als solches auferlegt es mir die
Pflicht es zu verstehen, nicht aber es zu verbessern. Bin
ich erst einmal der Pflicht es zu verbessern enthoben, dann
sollte ich wiederum die Maengel des Geschriebenen zu gunsten
des Verstehens, des Verstaendnisses, uebersehen. Denn
Verstehen wird man ja wohl nicht nur das was man als
Fehlerfrei oder erstklassig empfindet, sondern auch das
Fehlerhafte, vielleicht sigar das Misslungene. Es ergibt
sich zwischen dem Verstehen und zwischen dem Verbessern,
zwischen der kritischen und der hermeneutischen Einstellung
ein Zwiespalt, ein Widerspruch, so dass es unmoeglich
erscheint, beide auf einmal zu vertreten. Es ist aber die
kritische Haltung, das Verbessernwollen, welches dasselbe
ist wie das Nichtverstehenwollen, welches das Schreiben
erschwert, und zuweilen sogar unmoeglich macht.
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