20011223.00
Herkoemmlich hat sich die Ethik hauptsaechlich mit der
Handlungsweise des Einzelnen beschaeftigt, hat versucht zu
bestimmen, wie der Einzelnre sich in dieser oder jener
Situation (Lage) zu verhalten hat. Seine politischen
Pflichten sind im allgemeinen (by and large) unbeachtet
geblieben. Mit scheint, dass diese Beschraenkung der Ethik
auf das Persoenliche im Gegensatz zum allgemeinen, der
Tatsache entspricht, dass die Leitung des Staates als die
Aufgabe des Herrschers betrachtet wurde, und dass der
Herrscher als Stellvertreter Gottes anerkannt wurde, der als
solcher seine Handlungen jenseits der Kritik jenseits des
Urteilsbereiches des Untertan ausfuehrt; dass demgemaess der
Untertan seine Pflicht erfuellt, wenn er sich seinem
Herrscher bedingungslos unterordnet und dessen Befehle
kritiklos befolgt.
Aus dieser Verfuegung ergeben sich mehrere wichtige
ethische Fragen. Zum ersten ueber die Pflicht des
Herrschers, insofern man ihn als goettlich bevollmaechtigt,
und insofern man ihn als Mensch betrachtet. Zweitens ueber
die Pflicht des Einzelnen den Herrscher zu unterstuetzen,
oder ihn ueberhaupt erst zu waehlen, (sich) den Handlungen
des Herrschers beizupflichten. Die Forderung (the
requirement) zur Wahl zu gehen und seinen Stimmzettel
abzugeben. Angeblich steht der Mensch, als Buerger, unter
einem ethischen Zwang zu waehlen; was er waehlt, wie er
waehlt, wen er waehlt, steht ihm vermutlich frei; und in
diese Hinsicht meint man, dass er frei von jedem ethischen
Zwange handelt. Wie merkwuerdig! Unter welchen Umstaenden,
wenn ueberhaupt, waere die Abstimmung fuer einen Herrscher
oder den anderen ein ethisches Vergehen?
(Die Pflichten der Herrscher, die Hierarchie der
Herrscher; eine Herscherkette vom Hoechsten zum Geringsten.
Der Herrscher als Beamter und der Beamte als Herrscher. Das
Herrschertum als notwendige Gesellschaftsfunktion.)
Es liegt ein bedeutendes Missverstaendnis in der
vermeinten Wahlpflicht. Denn hier wird die
Lebenswirklichkeit hinter einer groben begrifflichen
Vereinfachung verdeckt. The purported duty to cast ones
vote conceals a significant missuderstanding. One is
required to take action on the basis of the most flimsy of
representations to make decisions whose consequences one
cannot possibly forsee. One is required to act on the basis
of incomplete or fantastical information. One is required
to commit oneself to an alternative of which one cannot
approve, except as an alternative to something worse. "Ich
tue es nur um schlimmeres zu verhueten" applies to all
elections.
Die Wahlhandlung ist eine Entscheidung ohne sichtbare
Folgen. Die Folgen der Wahlhandlung ergeben sich erst aus
dem Aufgehen der einzelnen Stimmen in das Gesamtergebnis.
Das Merkmal des Beamten ist, dass er den Sinn und den
Zweck seiner Handlungen nicht in sich selber findet, nicht
aus sich selber schoepft, sondern aus einem Amt das ihm
aufgegeben ist. Und dass sein Gewissen ihn nur zu diesem
Amt verpflichtet. Dass sein Amt ihn von der Notwendigkeit
als Einzelner zu handeln befreit. Anders ausgedrueckt: dass
seine Pflichten ueber das Amt geleitet werden. that his
obligations are mediated by his office. Dass er also,
insofern er ein Beamter ist, genoetigt wird seine
Individualitaet aufzugeben. (Tell es erbarmt mich, doch ich
muss gehorchen.) Die herkoemmliche Ethik wird durch
Beamtentum auf- oder jedenfalls abgeloest.
Die Lehren Christi sind (auch) als ein Aufstand gegen,
als eine Ablehnung des Beamtentums zu verstehen. Und seine
Kreuzigung als die Strafe, als die Rache welches das
Beamtentum an ihm vollzog.
Das Amt des Staatsanwaltes, des Richters, des
Gefaengniswaerters, des Henkers, des Polizisten, des
Soldaten. des Bankiers, des Kassierers.
Wir benoetigen eine Gesellschaftsethik; eine Ethik
welche vorschreibt wie der Mensch, anstatt als Einzelner,
als Gesellschaftsmitglied, als Beamter zu handeln
verpflichtet ist. Als Beamter ist er befugt, liegt es ihm
ob, ist es ihm unvermeidbar, die Regel die ihm zur Pflicht
gemacht worden ist., zu interpretieren, zu deuten,
auszuwaehlen. Prosecutorial discretion, den Befehl der ihm
gegeben ist nicht nach den Anweisungen des Befehlshabers
sondern eigenem Gutduenken entsprechend zu deuten, sondern
eigenem Gutduenken entsprechend zu auszufuehren.
Die Hermeneutik, die Verstehenslehre als enthaelt den
Schluessel zur Gesellschaftsethik. Das Verstehen ist die
geistige Verbindung des Einzelnen mit der Gesellschaft.
Verstehen bedeutet ja urspruenglich das Verstehen von
Worten, das Verstehen von Sprache. Die Befehle welche
auszufuehren der Beamte verspflichtet ist, sind ja auch
begrifflich, sind sprachlioch, anderweiteig waere keine
Mitteilung, waere keine gesellschaftliche Bindung moeglich.
Auch der Befehl bedarf der Deutung, ja besonders er. Die
Deutung des Befehls laesst einen sehr weiten Spielraum
offen; einen Spielraum so weit, dass er, der geistigen
Faehigkeit des Beamten entsprechend, die notwendige
Handlungsfreiheit schafft. Die Handlungsfreiheit des
Beamten ergibt sich aus der Deutung des Befehls. Diese
Deutung des Befehls haengt ab von dem gesellschaftlichen
"Matrix" in welchem die beamtliche Handlung stattfindet.
auszufuehren.
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