20020321.00

           Von einem der auszog das Lieben zu lernen.

     Beim Ueberdenken, gestern oder vorgestern, der Schriften
Kierkegaards, ergriff mich der Gedanke, dass mit der Darstellung
der Liebe in ihnen nicht alles in Ordnung ist.  Sollte nicht die
Betonung des unendlichen Interesse an der eigenen Existenz an
sich schon verdaechtig sein, besonders in Betracht der Tatsache,
dass so viele Menschen ihr eigenes Glueck an der Gegenwart eines
anderen einschaetzen, und dass die Bereitwilligkeit eines
Menschen sein Leben fuer einen anderen aufzuopfern keineswegs
eine Seltenheit ist.

     Aber aus Kierkegaards Schriften statt der Sehnsucht zu einem
anderen Menschen, dringt sich immer wieder nur das unendliche
Interesse an der eigenen ewigen Seligkeit auf.  Dies ist der Fall
sogar im ersten Teil von Entweder Oder, wo des Verfuehrers
unendliches Interesse an seiner eigenen aesthetischen Ergoetzung
das Interesse an dem begehrten Maedchen in so eklatanter Weise
ueberwiegt.  Im zweiten Teil von Entweder Oder moechte man die
Parallele darin finden, dass hier das unendliche Interesse des
Ehemanns an seiner ethischen Rechtfertigung die erlaubte Liebe zu
seinem Weibe dunkel ueberschattet.

     Das andere Buch welches Kierkegaard ueber die Liebe zwischen
Menschen geschrieben hat, nein es ist nicht Der Liebe Tun, es ist
das Buch ueber den Begriff Angst, schliesst die Liebe
vollstaendig aus, erwaehnt sie nicht mit einem einzigen Wort,
schweigt sie tot.  Imdem Kierkegaard ganz richtig die Angst als
Ausdruck der Entdeckung, woertlich und bildlich verstanden,
bezeichnet, so weiss er nicht, wohl weil er es selbst nicht
erfahren hat, dass die Liebe zwischen zwei Menschen die Angst und
die Scham ausloescht.

     Man muss annehmen, angesichts ihrer Menschlichkeit dass Adam
und Eva sich gegenseitig liebten.  Nun frage man aber, liebte sie
Gott?  Und man frage abermals, liebten sie Gott?  Ich glaube,
beide Fragen muessen mit Nein beantwortet werden.  Denn offenbar
hat Gott sie nicht geliebt, sonst haette er sie nicht von der
Schlange verfuehren lassen, sonst haette er ueberhaupt das Verbot
gegen das Essen vom Baume der Erkenntnis nicht erlassen.  Haette
Gott Adam und Eva geliebt, so haette er sie nicht nur ensprechend
seinem Bilde, er haette sie entsprechend seinem Wesen erschaffen.
Statt dessen bestraft er sie aud Eifersucht fuer seine eigene
Macht. Nennt man das Liebe?  Ist das Liebe zu nennen?

     Dass Adam und Eva Gott nicht liebten, ist gleichfalls
offensichtlich.  Denn haetten sie ihn geliebt, so haetten sie
seine Gebote "ihm zur Liebe" erfuellt.  Aber das Gebot war ansich
schon bedrohlich, und war kaum geeignet, Liebe zu erwecken.  Mit
dem Gebot war ja eine Drohung verbunden, diejenige naemlich, dass
sie das Essen der verbotenen Frucht mit ihrem Leben wuerden
bezahlen muessen.  Wie haetten sie Gott lieben koennen wenn er
ihnen mit der Todesstrafe drohte?

     Hier im Edenparadies hat sich die verhaengnisvolle Trennung
von Agape und Eros zum ersten Mal offenbart.  Denn am Ende jedes
Schoepfungstages betrachtete Gott sein Tageswerk, und sah, dass
es gut war. Die Zufriedenheit mit sich selbst war also der
Ausdruck, und der einzige Ausdruck der goettlichen Agape.  Und
hernach, wenn immer die goettliche Agape zum Ausdruck kommt, ist
die goettliche  Selbstzufriedenheit nicht weit zurueck.

     In Bezug auf das Urteil aber soll gesagt sein: Es ist
schwierig seinem eigenen Erleben (schriftstellerischen) Ausdruck
zu geben.  Schwieriger noch die schriftstellerische Darstellung
des Erlebens eines anderen zu bewerten.  In beiden Faellen wird
der Wahrscheinlichkeit nach das Ergebnis ein Missverstaendnis
sein.


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