20020326.00

     Wenn man ueber die Liebe, ueber die Seele, ueber Geist,
Ewigkeit, Gegenwart, Zukunft, Vergangenheit zu schreiben sich
anmasst, so ist es notwendig sich vorerst klar zu werden, dass
die Sachen auf welche sich diese Begriffe beziehen nicht in dem
Sinne bestehen in welchem ein Grabstein da ist, zu dem man Jahr
um Jahr bei Tag und bei Nacht zurueckkehren kann um sich seines
Daseins zu versichern und sich mittels seiner Dauerhaftigkeit des
Verstorbenen zu erinnern.  Gewiss im Laufe der Jahrhunderte
verwettern und zerbroeckeln auch Grabsteine, aber sie bestehen
jedenfalls ueber die Lebens- und Gedaechtnisspanne des Einzelnen
hinaus.

     Die Worte, die Begriffe, welche den Stoff unseres geistigen
Wirkens darstellen sind weniger dauerhaft. Sie sind wie die Toene
einer Orgel welche schwinden sobald das Pneuma welches sie
beseelt vergangen ist, Toene deren Bestand nur durch das
ununterbrochene Blasen des Balges erhalten wird. Das unablaessige
Treten des Blasebalges welche die Harmonien des Geistes
ermoeglichen nennt man Philosophie.

     Es ist ein Fehler vorauszusetzen, dass den Begriffen deren
wir uns bedienen eine Wirklichkeit anhaftet unabhaengig von der
Zufaelligkeit unseres Gebrauches. Jedenfalls ware eine solche
Wirklichkeit, wenn es sie gaebe, unserem Verstaendnis nicht
zugaenglich, und uns bliebe nichts uebrig als unsere Zuflucht zu
eben solchen begrifflichen Annaeherungen zu nehmen, wie jene mit
denen die Philosophie sich seit Jahrtausenden beschaeftigt.

     Was nun Kierkegaards Reden ueber der Liebe Tun anlangt, so
sind dies die Variationen auf ein in biblischen Texten
gegruendetes Thema welche seinen jeweiligen Beduerfnissen
entsprachen, Variationen welche einem Leser manches zu bedenken
geben, das ihm sonst nicht eingefallen waere. Zu einem Beschluss
ueber was die Liebe "wirklich" sein moechte, vermoegen sie ihn
nicht zu leiten.

     Es gibt ja die verschiedensten Synonyme fuer die Liebe. Im
Kontext des Korintherbriefe waere vielleicht "Leidenschaft" die
treffendste Ueberzeugung: Und wenn ich mit Menschen und mit
Engelszungen redetete, leidenschaftslos, ... Ist es sinnvoll
ueber Liebe zu schreiben ohne anzudeuten was oder wer es sein
moechte das oder der geliebt wird?

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