20020406.00
Es ist fragwuerdig ob eine Geschichte des Denkens moeglich
oder auch nur wuenschenswert ist; doch sollte es nichts schaden,
einen Versuch zu machen, die Umrisse einer solchen Geschichte zu
skizzieren. Selbst wenn die Geschichte die ueberlieferten
Gedankenzusammenhaenge keineswegs erschoepfend wiederzugeben
vermoechte, besaesse sie dennoch jedenfalls den Vorteil, dass sie
einen Schluessel zum Verstaendnis der verschiedenen Lehren boete.
Am Anfang der Philosophie steht Sokrates wie ein Leuchtfeuer
das allem Denken seither die Richtung wies. Inbegriffen in die
Behauptung selbst nichts zu wissen ist die entgueltige Ablehnung
einer sachlichen objektiven Welt. Aber die Folge dieser
skeptischen Stellungnahme war nicht nur eine Unterbrechung des
Consensus, des Common Sense, sondern war gleichfalls eine
radikale Stoerung des geistigen Verhaeltnisses zu anderen
Menschen: denn die Hebammenkunst derer Sokrates sich ruehmte,
trennte ihn in unversoehnlicher Weise von den Menschen deren
Paedagoge zu werden er beanspruchte; und abgesehen von den
wenigen die ihn wegen seiner grossen Vorzuege, a la Goethe,
liebten, wuchs unter den Mitmenschen mit welchen er verkehrte ein
Hass gegen ihn, dem er am Ende unterlag.
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