20020506.01
Was ich vor Tagen als Metatheorie bezeichnete, wollte ich
gestern das Selbstwissen nennen, und heute denke ich, dass ich es
doch schlicht und einfach als das subjektive Wissen bezeichnen
sollte, so dass ich jedenfalls in der Nomenklatur, in der
Namensetzung, wieder beim Ausgangspunkt des Denkens angelangt
bin. Oder noch weiter zurueck geforscht, wenn ich es Zweifel
nenne, und eine Art Zweifel ist es gewiss, dann bin ich dort
angelangt von wo aus sich meine Denken vor fuenfundvierzig Jahren
entfaltete, als ich ueber den Ursprung des Zweifels an der
gedeuteten Welt aus dem ethischen und esthetischen Bewusstsein
des Menschen schrieb.
Mit dem Unterschiede jedoch, dass der Zweifel den ich mir
damals ausmalte, den ich damals konzipierte, rein negativ war,
ein Zurueckhalten (der Bestaetigung) des Wissens, (a restraining,
restriction, refusal, of the confirmation of knowledge) waehrend
das Selbstwissen, das subjektive Wissen, welches ich jetzt im
Sinne habe, eine positive Haltung ist, zwar nichts dass sich als
Wissenschaft ausgeben liesse, und nichts was demonstrabel ist,
denn damit waere es schon wieder gegenstaendlich, sondern ein
geistiges Erlebnis, welches dem Gefuehl vergleichbar, nur von dem
Betreffenden der es erlebt erkennbar ist, und nur im Moment des
Erlebens. Dies Wissen hat seine Analogie, sein Aequivalent in
dem Erkenne dich Selbst des Sokrates, eine Haltung welche
unverkennbar von der durchdringenden Skepsis des Nichtswissens
untrennbar ist.
Und wenngleich es selbst nichts ist das demonstrierbar
weare, so hinterlaesst das Selbstwissen dennoch seine Spuren in
allen anderen objektiven Erkenntnisbehauptungen. Denn diese
werden in Folge des subjektiven Bewusstseins weniger
selbstverstaendlich, werden weniger dogmatisch, werden mehr agil,
geschmeidig und biegsam, und entsprechend vielleicht mehr
produktiv.
Das Selbstwissen wirft ein neues, aufklaerendes Licht ueber
das objektive Wissen, und bewahrt es davor, - und dies ist das
Wichtige, - dogmatisch und scholastisch zu werden. Denn das
dogmatische, scholastische objektive Wissen, ist verdorbenes
Wissen, ist Wissen das durch seine Mitteilbarkeit verdorben ist,
das zur reinen Mitteilbarkeit, und zu nichts als Mitteilbarkeit
wurde, also zur Taeuschung; - das dogmatische Wissen steht dem
Lebendigen wissen, der Wissensentwicklung, der Entwicklung des
objektivben Wissens entgegen. Denn dieses wird durch das
subjektive Wissen angespornt und angefaechelt und belebt:
indessen das dogmatische, das reine Mitteilungswissen
unp[roduktive, bedueutngsloss, zur Sinnlosigkeit wird.
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