20030111.00
Was die Aesthetik anbelangt, so geht es mit ihr wie mit
den anderen Zweigen (Branchen) der Philosophie, der Ethik
und der Erkenntnistheorie. Alle Ausgangspunkte a priori
welche entdeckt oder erfunden worden sind, haben sich als
hinfaellig erwiesen. Auf kein goettliches Gebot, auf keine
himmlische Ordnung, auf keine transzendentale Wirklichkeit,
auf keine historische Ueberlieferung, auf keine Worte eines
Weisen oder eines Propheten, auf kein Autos ephe, auf keine
Heilige Schrift ist ein entgueltiger Verlass. Der Vorgang
des Denkens selbst weist auf die Loesung. Es ist die
umstaendliche Gegebenheit von welchem das Denken anhebt; und
es ist diese selbe umstaendliche Gegebenheit aus welcher die
Loesung gewonnen (wie Erz aus der Erde, herausgearbeitet)
werden muss. Dieser Vorgang aber besteht dann darin, dass
der Geist, dass das Gemuet, dass das Nervensystem des
Menschen, oder sein Gehirn, sich den Umstaenden in denen es
sich findet anpasst; dass es sozusagen ein Spiegel,
wenngleich ein trueber und verzerrender Spiegel, dieser
Umstaende wird: und dieses Spiegelbild, was immer seine
Qualitaet, bietet sich als das Ergebis unserer
Denkbemuehungen.
Man muss, um ihren Grund zu suchen, vom einzelnen
Erlebnis, von Gegebenheiten, vom gegenwaertigen Eindruck
ausgehen. Von der gegebenen guten oder schlechten Handlung,
von dem gegebenen Wissen oder Unwissen, von dem gegebenen
gefallenden oder erbauenden, bezw. wahren oder falschen,
haesslichem oder widerwaertigem, das unser Erleben von Natur
und Kunst aufweist. Von dem gegebenen, konkreten,
entwickeln sich dann die Begriffe, und aus ihnen das
zusammenhaengende Schema in welches anderes Erleben sich
einfuegen laesst.
Und diese Schemen, diese Geistesuebungen, diese
Gedankenbahnen (thought tracks) nennt man dann Philosophie;
und meint irrtuemlicher Weise aus dem Gedankengebilde die
Wirklichkeit ableiten zu koennen to deduce reality from
thought, waehrend es tatsaechlich doch immer umgekehrt ist;
dass naemlich der Gedanke an Hand der Wirklichkeit
entwickelt, gestaltet, gepraegt wird.s, und letztlich an
Hand der Wirklichkeit verstanden werden muss. Der
wesentliche Vorteil all dieser Bemuehungen ist dass durch
die Beschaeftigung mit den Begriffen, durch das Spiel der
Gedanken, die Aufnahmefaehigkeit und die Wirksamkeit auf
jedem der Gebiete welche die Philosophie behandelt, erhoeht,
gesteigert wird; so dass wir mittels unseres Denkens die
Wirklichkeit in keiner Weise vermehren, vertiefen oder
verwandeln, unsere Beziehung zu der Wirklichkeit aber auf
ein gueltigeres und mehr wirksames Niveau verlegen.
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