20030723.00
Das Bilderverbot des 2. Buches Mose ist auch in
Hinsicht (Bezug) auf die allgemeinere Bedeutung und Wirkung
zu betrachten, welche die Objektivierung, die
Vergegenstaendlichung, die Veroeffentlichung seines
(inneren) Erlebens dem Menschen bedeutet. Es ist
uebermaessige Vereinfachung (oversimplification) das
Bilderverbot lediglich auf das Goetzenbild zu beschraenken.
Tatsaechlich ist ja jede Abbildung verboten. Denn Abbildung
hier bedeutet ein schoepferisches Erzeugen welches das
Erleben des Menschen zum Ausdruck bringt: und welches das
Erleben des Menschen verdraengt, und welches letzten Endes
zum Erleben des Menschen wird und dieses Erleben ersetzt.
Man moechte also das Bildergebot umschreiben: Du sollst dir
dein Leben nicht vergegenstaendlichen. Dein Leben soll
innerlich bleiben: denn nur das inwendige Leben steht in
unmittelbarer Beziehung zum Goettlichen. Alles
Verbildlichte, alles Dargestellte, ob in Farbe, in Stein
oder in Worten, wird selbst zum Goetzen und wetteifert mit
Gott.
Im Gegensatz zum Bilderverbot steht der menschliche
Drang dem inneren Erleben gegenstaendlichen Ausdruck zu
verleihen. Etwa Rilke in seinem Kalckreut Requiem:
"Haettest du gesehen wie Schicksal in die Verse eingeht, und
dort verbleibet als nichts als Bild," - oder so etwa. Als
ob Verbildlichung, die Verklaerung im Gegenstand, die Muehen
und Sorgen des Erlebens aufzuheben, oder zumindesten, zu
beschwichtigen vermoechte. Vertretbarerweise (arguably) ist
der Gestaltungsdrang ein Ausdruck des Gesellschaftsdranges,
des Beduerfnisses, der Notwendigkeit fuer den Menschen, dass
er sich in Gesellschaft verwirkliche.
Am Ende wird es vielleicht doch unmoeglich den
gestaltenden, schoepferischen goetzenbildenden Drang am
Menschlichen zu verkennen. Du sollst Dir kein Bildnis
machen heisst eben so viel wie, du sollst allein bleiben:
denn die Eifersucht Gottess beschraenkt sich keineswegs auf
das Anbeten anderer Goetter; es erstreckt sich auch auf die
Beziehungen zu anderen Menschen.
Nun ist noch die Lage zu bedenken in welcher zwar das
(schoepferische) Beduerfnis zu gestalten, zu schaffen,
waehrt, die Kraft aber diesem Beduerfnis nachzukommen
schwindet, und das Streben nach Wirklichkeit, nach
Gegenstaendlichkeit erschoepft in Muedigkeit, in Schlummer,
in Schlaf vergeht.
Bezeichnend am Abbild ist, dass es eine Schoepfung ist.
Der abbildende Mensch schafft (sich) einen neuen Teil der
Welt.
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